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LESEPROBE

Aus: Thomas von Kienperg, Catherine oder die wilden Jahre von damals, Hippieroman

Que c’est un plaisir charmant
d’être jeune et belle!
Triomphons à tout moment,
d’une conquête nouvelle:
que c’est un plaisir charmant
d’être jeune et belle!

Etwa zwei Wochen nach dieser Begebenheit geschah es, daß ich am Nachmittage des Sonnabends gerade auf dem großen Parkplatz vor dem Kaufladen stand und einige Besorgungen in den Kofferraum meines alten Fords verlud, den ich mir erst vor wenigen Monaten von meinem ersten, ersparten Gelde gekauft hatte, als plötzlich ein knallbunt bemalter VW-Bulli auf das Gelände einbog, aus dem laute Musik ertönte. Du kannst dir vorstellen, daß alles, was gerade anwesend war, sogleich nach dem auffälligen Fahrzeug hinblickte. Das wunderliche Gefährt hielt unweit meines Wagens und spie im Augenblick eine Anzahl jener Gestalten aus, wie ich sie erst unlängst am Höhenwald beobachtet hatte. Der Fahrer des Busses war ein junger Mann, der barfuß ging, mit langen Haaren und Bart, und wäre das Stirnband nicht gewesen, er hätte den gewohnten Christusdarstellungen wohl ziemlich ähnlich gesehen. Der Rest war ein Haufen junger Mädchen, die ebenfalls barfuß schritten und in ihren buntgestickten Kleidern und Röcken aussahen wie ein Schwarm seltener Paradiesvögel. Unter allen von ihnen erkannte ich keine jener Personen wieder, die ich damals beim Bade gesehen hatte ‒ mit einer einzigen Ausnahme, und das war Catherine. Ich mußte zugeben, ob ich nun wollte oder nicht ‒ sie sah einfach hinwerfend aus. Zu dem Stirnband, das sie schon seit ihren späten Schuljahren zu tragen gewohnt war, trug sie jetzt außerdem eine blaue Spiegelsonnenbrille; ihr Gesicht, ebenso wie die ganze übrige Haut war von der Sommersonne gebräunt, und ein kurzer Rock, einem Petticoat ähnlich, ließ ihre wohlgeformten, langen Beine auf vorzügliche Weise zur Geltung gelangen; sie erinnerte damit fast ein klein wenig an ein Tanzmariechen.

Der Fahrer des Busses hatte sich unterdessen nachlässig an sein Fahrzeug gelehnt und eine Zigarette angesteckt; er schien es vorzuziehen, dort zu warten, bis die Mädchen von ihren Besorgungen wieder zurückkehrten. Soeben wollte der bunte Schwarm junger Frauen unter angelegentlichem Schwatzen und Gelächter an mir vorbeirauschen, als Catherine, die als letzte ging, wie von ohngefähr in meine Richtung blickte! Ich konnte keineswegs gewiß sein, ob sie mich denn bemerkt hatte, doch erhob ich zögerlich die Hand zum Gruß und Zeichen, daß ich sie erkannt hätte. Zu meinem größten Erstaunen stieß sie einen freudigen Ruf der Überraschung aus und eilte sogleich auf mich hinzu.
„Sieh einer an ... der Franz! Ei, welch eine Überraschung!“
Als ich ihr verlegen meine Hand zur Begrüßung hinstrecken wollte, ignorierte sie diese platterdings und schloß mich stattdessen in eine freundschaftliche Umarmung. Ich war an derlei ungezwungene Vertraulichkeiten in der Öffentlichkeit nicht gewohnt, und als ich ihren Leib nun für einen kurzen Augenblick so nah an dem meinen fühlte, daß es mich ganz heiß durchfuhr, wirkte ich linkisch und unbeholfen. Anschließend trat sie wieder einen Schritt zurück, mich gleichsam von oben bis unten betrachtend; sie schien viel selbstbewußter und erwachsener geworden.
„Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen!“, sagte sie.
‚Wenn du wüßtest!‘ dachte ich bei mir selbst, war jedoch um eine vernünftige Antwort verlegen und wußte nicht, was ich darauf erwidern sollte.
„Nun sag’ schon, wie läuft es bei dir?“
„Ach nichts Besonderes, Catherine!“ preßte ich endlich hervor. „Du weißt ja, was soll in einem Kuhdorf wie dem unseren schon großartig passieren?“
„Da hast du freilich recht, Franz! Aber wir müssen gottlob ja nicht immer unbedingt darauf warten, bis sich unseretwegen die ganze Welt verändert; denn wenn sie sich von selbst nicht ändern will, dann müssen eben wir sie verändern!“
Sie sprach ein großes Wort gelassen aus; ich ließ schüchtern den Kopf hängen und muß in diesem Augenblick wohl fürchterlich hilflos auf sie gewirkt haben.
„Ist es übrigens wahr“, brachte ich endlich heraus, „daß du deine Arbeit in der Manufaktur hingeworfen hast?“
Sie lachte hell; es war ein freies, unbefangenes Lachen.
„Nun, was tut das schon? Ich hatte diesen ganzen, alltäglichen Stumpfsinn einfach satt bis zum Erbrechen!“
Die übrige Schar war unterdessen vorangeeilt und wartete vor dem Eingang zum Laden. Nun ließ sich von dort eine Mädchenstimme vernehmen.
„Dreamie, kommst du?“
Catherine wandte sich kurz um.
„Schon recht, Lulu, ich komme ja gleich!“
Daraufhin wandte sie sich wieder mir zu.
„Hör’ einmal, Franz“, fuhr sie nun mit merklich gedämpfter Stimme fort, „du weißt, daß du früher stets der einzige hier warst, zu dem ich ein gewisses Vertrauen hatte. Zeichnest du eigentlich noch?“
Ich erwiderte, daß ich nur selten Gelegenheit dazu fände.
„Schade!“, meinte sie mit einem Ausdruck des aufrichtigsten Bedauerns, „du konntest so schöne Bilder malen! Doch was ich eigentlich sagen wollte ... wenn du Lust hast, kannst du uns ja gerne einmal besuchen kommen, du weißt schon wo; aber ich bitte dich, tu mir den einzigen Gefallen und laß’ die übrigen Bauernkerle zu Hause ... die rümpfen ohnehin nur die Nase über uns!“
Sie winkte mir zum Abschied mit einem lieblichen Lächeln zu.
„Also adieu Franz ... du weißt ja nun, wo du mich findest!“
„Bin schon da“, rief sie einem Mädchen mit rötlichen Haaren zu und eilte in Richtung ihrer wartenden Gefährtinnen davon. Der junge Mann lehnte noch immer in derselben, nachlässigen Haltung an den Bulli gelehnt und sah, seine Zigarette rauchend, gelangweilt auf die Straße hinaus; von mir schien er keine Notiz zu nehmen. Den Kopf voll widerstrebender Gedanken, bestieg ich meinen Wagen und fuhr nach Hause.
Die nächsten Tage über fanden mich wieder in jener merkwürdigen Unruhe und Zerstreutheit, wie sie mich auch damals erfaßt hatten, nachdem ich Catherine und ihre Gefährtinnen beim Bade beobachtet hatte. Insbesondere in der Werkstatt meines Meisters bot ich all meinen Eifer auf, mich keiner Verfehlungen schuldig zu machen, doch konnte ich gleichwohl nicht verhindern, daß ich dann und wann nicht recht bei der Sache war und so mich mancher Tadel traf, dem ich unter gewöhnlichen Umständen wohl entgangen wäre. Auch zu Hause, im Kreise der Familie sowie an den Wochenenden, wo ich nach gewohnter Weise mit meinen Freunden zusammentraf, setzte ich alle Bemühungen daran, mir nichts davon anmerken zu lassen, was mein Inneres in einen solchen Aufruhr versetzte. Hatte sie, Catherine, nicht zu mir gemeint, es stünde mir frei, sie am Gehöft zu besuchen?
In unserem Dorf sprach man nun regelmäßig über die „Hippies“. Man kann sich vorstellen, daß das Leben in einem Flecken mit ein paarhundert Seelen, noch dazu mitten auf dem plattesten Lande, ziemlich einförmig, um nicht zu sagen eintönig verlief und nur selten einmal Neuigkeiten von einigem Interesse den Alltag durchbrachen, sodaß dieser Gegenstand nun ein höchst willkommenes Mittel war, über das man sich nach Lust und Laune verbreiten konnte! Ich selbst wurde nun zuweilen Zeuge, wie in meiner Familie, unter meinen Freunden oder den beiden Gesellen meines Meisters Dinge dieser Art verhandelt wurden, und überflüssig die Bemerkung, daß die fremden Leute dabei durchwegs in einem sehr schlechten Lichte dargestellt wurden, obwohl man ihnen eigentlich nichts weiter nachsagen konnte, als daß sie sich unerlaubterweise auf einem Besitz aufhielten, der sich noch dazu nicht einmal in den Händen von Leuten des Dorfes befand. Ich schwieg zu alledem und beteiligte mich nicht an dem allgemeinen Geklatsche, obwohl ich darüber aller Wahrscheinlichkeit nach mehr wußte als die übrigen, und wenn man mich, selten genug, um meine diesbezügliche Meinung fragte, dann war ein kurzes, mißmutiges Brummen zumeist das einzige, was man von mir zu hören bekam. Nicht etwa, daß ich Ursache gehabt hätte, den fremden Gästen ein besonderes Wohlwollen zu erzeigen; aber ich hielt sie eben doch weder für besser noch schlechter als alle übrigen Dorfbewohner, ob sie nun einem Geschäfte nachgingen oder nicht. Besonders ärgerte es mich, wenn die Rede auf Catherine kam, die man nun allerorts ein Flittchen nannte, und man erzählte sich, daß ihr eigener Vater über sie gesagt habe, die solle sich nochmals nach Hause getrauen, dann wolle er sie mit Sack und Pack vor die Tür setzen. Ich dachte viel darüber nach, und obwohl ich ein Gefühl der Eifersucht nicht unterdrücken konnte, daß das schönste Mädchen des ganzen Dorfes nun mit diesen fremden, jungen Menschen zusammenwar, mochte ich im tiefsten Grunde meines Herzens nicht leugnen, daß Catherine mir nach wie vor sehr viel bedeutete – sie mir niemals Ursache gegeben hatte, schlecht über sie zu denken und es überdies starker Tobak war, falls es wirklich der Wahrheit entsprach, daß ihr, Catherinens Vater, der eigenen Tochter verboten hatte, jemals wieder das elterliche Haus zu betreten.
Ich befand mich nachgerade in einem immer unleidlicheren Zustande, und ich begann Catherine immer besser zu verstehen. Wenn ich die Dinge recht bedachte, so war es ja durchaus an dem, daß ich im Grunde stets nur im beständigen Bemühen fortlebte, fremde Erwartungen zu erfüllen. In der Werkstatt bestimmte mein Meister, wie ein Stück zu fertigen war, und fiel die Sache nicht zu seiner Zufriedenheit aus, setzte man sich seinem Tadel aus. Daheim war es nicht viel anders: bald mußte die Hofwiese gemäht, bald das Vieh gefüttert, dann die Heuernte eingebracht, ein andermal Feuerholz gemacht werden, und hätte man es etwa gewagt, den Eltern zu erklären, daß man dazu keine Lust hatte, man wäre schön damit angekommen! Sogar in jenen wenigen Stunden, über die man frei verfügen konnte, war es immerfort dasselbe: man saß mit immer denselben Leuten in immer denselben Gasthäusern herum, um dort Karten oder Billard zu spielen, ging vielleicht einmal auf einen Tanzabend in die Diskothek oder sonntags nach der Messe auf irgendein Kirchweihfest der Umgebung ‒ kurz, man war dabei, immer dieselben Dinge mit immer denselben Leuten an immer denselben Orten zu tun, und war die Woche vorüber, begann der ganze Trott aufs Neue. Bei alledem mußte ich feststellen, daß ich viel öfter gerne einmal den Zeichenstift oder die Feder zur Hand genommen hätte, um an einem schönen Bilde zu malen oder ein hübsches Gedicht zu schreiben, aber wenn ich dazu Zeit gefunden hätte, war ich entweder zu müde dazu oder wurde von anderen Geschäften in Anspruch genommen, sodaß ich nur höchst selten einmal etwas zustande brachte, das wahrhaft der Rede wert gewesen wäre. Nannte man ein solches Einerlei etwa Leben, oder war man tatsächlich nur in der Welt, um fortwährend die Erwartungen anderer zu erfüllen?!
Je mehr ich all diesen Dingen nachsann, desto mehr gelangte ich zur Überzeugung, daß ich mit meinem Dasein, so wie es war, eigentlich höchst unzufrieden war; und als ich eines Tages in meines Meisters Werkstatt mit einem der älteren Gesellen aneinandergeriet, weil er meine Feile heimlich mit Leim beschmiert hatte, sodaß ich sie nun nicht mehr von den Fingern bekam und mir der alte Meister, der es einfacher finden mochte, einen Lehrschwengel als einen Gesellen zu tadeln, deswegen auch noch Vorhaltungen machte, wo ich doch nichts dafür konnte, da hatte ich endgültig genug und hielt den Augenblick für gekommen: ich beschloß, mich am Sonnabend nach Mittag heimlich aus dem Haus zu stehlen und, Catherinens Worte eingedenk, mich zum Gehöft am Höhenwald zu begeben, ohne irgendjemand anderem ein Sterbenswort davon zu verraten.

Bis zum Mittag hielten dunkle Wolken den Himmel bedeckt und es hatte sogar ein wenig geregnet, aber nun begann der Himmel sich langsam aufzuklären. Um von niemandem gesehen zu werden, wählte ich allerlei verborgene Pfade, denn obwohl ich keinem Rechenschaft schuldig war, hatte ich doch keine Lust, bemerkt zu werden und daß man sich anschließend das Maul über mich zerriß. Ich war voll banger Erwartung, als ich zuletzt auf den Wiesenpfad einbog, der vom Bachgrund gemächlich zur Anhöhe emporklomm, wo ich den Giebel des Hauses, halb hinter den düsteren Kronen hoher Linden verborgen, schon von fern auf mich herblicken sah. Je näher ich dem Gehöfte kam, desto zögerlicher wurden meine Schritte, zumal ich nun deutlichen Stimmenlärm sowie das Geräusch eines Pochhammers vernehmen konnte, das an den ringsum gelegenen Bäumen und Mauern widerhallte. Was wollte ich bloß sagen, und was geschah, falls Catherine sich überhaupt nicht hier befand? Ehe ich noch Zeit zu weiteren Betrachtungen fand, hatte ich auch schon den ebenen Hofplatz betreten.
Ein beinahe malerischer Anblick bot sich meinen Blicken dar. Unter drei mächtigen Linden, deren breite Kronen das rote Ziegeldach überdräuten, erhob sich das Gehöft, das freilich einen ziemlich heruntergekommenen, aber keineswegs unwirtlichen Eindruck auf mich machte. Das Glas der Fensterscheiben fehlte zum Teil oder war halb zerbrochen, doch hatte man an einigen Stellen Windläden davorgenagelt, damit es bei Schlechtwetter nicht zum Fenster hereinregnete. Die ehemals weißgetünchten Mauern waren an vielen Stellen von dichtem, dunkelgrün glänzenden Efeu und wildem Wein überwachsen, und entlang der aufgelassenen Ställe reihten sich etliche, an Spaliere gebundene Obstbäume, welche Äpfel, Birnen und Kirschen trugen ‒ nebst einem von Staketen umhegten, kleinen Gärtchen, in welchem man allerlei Gemüse und Kräuter zu ziehen schien. Das rote Ziegeldach war an einigen Stellen schadhaft, doch hatte man es allem Anscheine nach mit alten Planen und Holzplanken notdürftig ausgebessert. Am Eingang zum Hofplatz stand jener alte, mit Blumen und Peace-Zeichen bemalte VW-Bulli, den ich damals beim Kaufladen gesehen hatte und der bereits ziemlich vom Rost zerfressen war, doch fiel dies unter der kunterbunten Bemalung nicht sogleich auf. Ebenso verrostet war ein alter Wagen der Marke Ford Taunus, unter dem bei meiner Ankunft ein junger Mensch mit Schraubenzieher und Hammer, eine glimmende Zigarette zwischen den Zähnen, hervorkroch, in dem ich sogleich denselben jungen Mann wiedererkannte, der vor einigen Tagen am Steuer des Bulli gesessen hatte. Die Sonne trat soeben hinter den Wolken hervor und warf einen goldenen Strahl über den malerischen Hofplatz, wo ein junges Mädchen mit kurzem fliegenden Rocke gerade barfuß aus der Türe trat. Ein junger Mann saß, mit einer Zigarette im Mund, nachlässig in einer Hängematte und spielte gedankenverloren auf der Gitarre. Zwei andere Mädchen, die, wie ich glaubte, ich ebenfalls mit Catherine beim Dorfladen gesehen hatte, kamen mit einem ungeheuren Wäschekorb um die Ecke des Hauses gebogen und machten sich daran, die Wäsche in der jetzt hervortretenden Sonne an die Leine zu hängen, die man zwischen dem an den Stall angebauten, halb eingefallenen Holzschuppen und den Obstbäumen ausgespannt hatte; verschiedene andere Wäschestücke hatte man auf einem kleinen, ziemlich baufälligen Altan des oberen Geschosses zum Trocknen über die Geländerbrüstung gehängt.
Außer dem jungen Manne, der am Wagen hantierte, hatte meine Anwesenheit noch niemand bemerkt. Er trug eine weite Leinenhose und schritt im übrigen barfuß, der nackte Oberkörper war braungebrannt und trotz des schlanken Wuchses, den er zeigte, von sehniger Kraft. Seine Finger, mit denen er nun die Zigarette aus dem Munde nahm, waren ölverschmiert, und in seinem Frageblick, den er nun auf mich warf, glomm es wie heimliches Mißtrauen. Ich grüßte höflich.
„Ich wollte bloß fragen“, versetzte ich nun, „ob ich mit Catherine sprechen kann!“
„Catherine?“ wiederholte er stirnrunzelnd. „Es tut mir leid, aber es gibt hier niemanden, der so heißt!“
Ich war etwas verwirrt.
„Seltsam“, versetzte ich unter leisem Kopfschütteln, „dabei meinte sie, ich könne sie hier antreffen; sie heißt Catherine! Catherine Amon!“
Der Bursche grinste und ließ dabei zwei Reihen etwas schadhafter Zähne blicken.
„Ach so, nun verstehe ich“, entgegnete er amüsiert, „du meinst sicherlich Dreamie!“
Ohne sich noch weiter mit mir zu beschäftigen, legte er seine Hand als Schalltrichter seitwärts an den Mund und rief einem der im Hofe geschäftigen Mädchen zu: „He Lulu, sieh doch einmal nach wo Dreamie steckt. Da ist jemand, der gerne mit ihr sprechen möchte!“
„Wer ist da?“ ließ sich die Mädchenstimme daraufhin vernehmen.
„Besuch ... für Dreamie!“ rief der junge Mann nun etwas lauter, indem er die einzelnen Silben in auffälliger Weise betonte.
„Sie wird gleich kommen!“ warf er nachlässig hin, und begann daraufhin mit gleichsam musternden Blicken um den Wagen herumzuschreiten, unter dem er soeben noch gelegen hatte. Er schnippte mit den Fingern den Stummel seiner Zigarette in den Sand und schien sich nicht weiter um mich zu kümmern. Ich war darüber nicht wenig erleichtert, denn ich fühlte mich in der ungewohnten Umgebung etwas unbehaglich und hätte ohnehin nicht gewußt, was ich in Gegenwart eines mir unbekannten Menschen hätte sprechen sollen. Tatsächlich kam Catherine noch im selben Augenblick angeflogen ‒ mit einem buntbebänderten Strohhut auf dem Kopfe, barfuß und in einem einfachen Kleide mit kurzem Rock, aus dem ihre schönen, sonnengebräunten Beine wie aus Erz geformt hervorragten. Ihre Umarmung, mit der sie mich begrüßte, war unerwartet lebhaft, und ein wohliger Schauer durchrieselte mich, als ich ihren weichen und warmen Busen für einen Augenblick an meiner Brust fühlte und begierig den Duft einsog, der ihrem Haar entströmte.
„Franz ‒ ich hätte nicht gedacht, daß wir uns so schnell wiedersehen! Aber komm’ nur, ich zeig’ dir alles und stell’ dich den anderen vor!“
Völlig unbefangen faßte sie nach meiner Hand und führte mich in den Hofplatz hinein. Mit einemmal wandte sie sich wieder um.
„Du kriegst den Wagen doch wieder hin, Countryman?“ sagte sie zu dem jungen Manne, der jetzt nach Schraubenzieher und Hammer gegriffen hatte und sich soeben anschickte, wieder unter den Wagen zu kriechen.
„Ich denke schon, Dreamie! Kann sein, daß ich ein paar Teile benötige, aber sonst … dort und da ein wenig Löten, und die Mühle läuft wieder wie geschmiert!“
„Das ist Countryman“, wandte Catherine sich erklärend an mich. „Wenn er gerade nichts Besseres zu tun hat, schraubt er stets an irgendwelchen Sachen herum. Aber hör’ einmal, der bringt noch Dinge zum Laufen, wo andere schon längst aufgegeben haben!“
Der Bursche schien nicht unempfänglich für das Lob seiner schönen Freundin, denn er nickte uns mit einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit zu, und im nächsten Augenblick war er auch schon unter dem Wagen verschwunden. Als mich Catherine nun über den Hofplatz führte, waren aller Augen sogleich mit fragender Neugier auf meine Gestalt gerichtet, sodaß ich dadurch in nicht eben geringe Verlegenheit geriet. Im selben Augenblick erschien ein junger Mann mit dichtem, dunklem Haar und Bart auf dem Altan. Seine ganze Erscheinung schien ein gewisses, gebieterisches Wesen auszustrahlen, dem man sich nicht entziehen konnte. Catherinens Miene nahm sogleich einen ernsthaften Ausdruck an.
„Das ist Franz, ein alter Freund von mir“, sagte sie nun, „ich verbürge mich für ihn, Wizard, du kannst darauf vertrauen, daß es seinetwegen keine Unannehmlichkeiten mit den Dorfbewohnern geben wird!“
Der Mann nickte nur und lächelte mir auf seltsame Weise zu.
An dieser Stelle unterbrach mein Onkel plötzlich die Erzählung.



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