Einst Parzival mit frommem Sinne
ritt wohlgemut durch Berg und Tal;
das Herz erfüllt voll froher Minne
so sann er nach dem heil’gen Gral.
Und plötzlich über Felsenschlüften
da ragte eine Burg in Lüften.
Der Ritter pochte an die Feste,
ein Knapp’ ließ ihn sogleich hinein;
wie es sich ziemt, mit edler Geste,
und führte ihn vorn Burgherrn sein.
Doch jener schien gar tief zu trauern:
Er tat den edlen Ritter dauern!
Doch wagte dieser es mitnichten
zu fragen nach des Leides Quell;
in Mitleiden das Wort zu richten
an jenen armen Leidgesell.
So frug des Leids er nicht von wannen
zog tags darauf sogleich von dannen.
„Verwünschter Tor, verflucht dein Schweigen!“,
so rief die Botin Grals ihm zu,
„ach konntest du kein Mitleid zeigen! –
verschafftest seinem Leiden Ruh!
Doch weil dies Wort du unterlassen,
drum mögen dich die Götter hassen!“
„Denn wisse, Ärmster, welches Wunder
O Unglücklicher! – du geschaut.
Die Gralsburg war’s, du armer Sünder,
die König Titurel erbaut.
In ihren Mauern ruht die Schale,
das heil’ge Blut vom Abendmahle.“
„Der heil’ge Gral, in dessen Schalen
das Blute Christi wird bewahrt,
das er für uns in Schmerz und Qualen
am Kreuze einst vergossen hat.
Es schafften jene heil’ge Quelle
einst Engel in die Gralskapelle.“
„Sie hielten schwebend ihn in Lüften,
bis Titurel die Feste gut
erbaut, wo in geweihten Grüften
der Kelch für alle Zeiten ruht.
So nährt sich ewig aus dem Grale
die Wunderkraft der heil’gen Schale.“
„Es hatte Titurel drei Söhne:
der erst’ mit Namen Frimutel
verlor auf grausen Schlachtfelds Bühne,
sein junges Leben allzu schnell.
Der zweite, Trevrezent mit Namen
er streut als Mönch des Wortes Samen.“
„Amfortas hieß der jüngste Sprosse,
als König er dem Gral gebeut;
er hat im Feld auf seinem Rosse
die wilden Heiden nicht gescheut.
Bestrickt von einem schönen Weibe
entfleuchte ihm der Christenglaube.“
„Und vor der Schlacht stets die Templeisen
des Grales heil’ge Brüderschaft;
noch stolz das Schlachtenbanner weisen
der silbern Taube edle Kraft.
Amfortas rief mit frevlem Sinne:
„Das Feldgeschrei sei holde Minne!“
„Der Himmel rächte flugs die Sünde,
dem Heidenspeer er nicht entwich
der schlug die unheilbare Wunde
an der er leidet ewiglich.
Durch Mitleid nur, bezeugt auf Erden
kann ihm hinfort Erlösung werden.“
„So will ich denn nicht eher ruhen“,
hierauf der edle Ritter sprach,
„will eilen gleich mit schnellen Schuhen
bis ich gesühnet meine Schmach!“
„Die Gralsburg kannst du nicht mehr finden:
zeigt sich nur dem, der ohne Sünden!“
Und es vergingen lange Jahre
der Ritter fand die Burg nicht mehr;
die rechte Gottestreu, die wahre,
doch frommte seinem Herzen sehr.
Und wenn wir auch nur alle Sünder,
erkennet Gott doch seine Kinder.
So wandelte er selbst im Leiden
das prüfend ihm ein Gott gesandt;
stets ritterlich mit mut’ger Freuden
auf Gottes Wegen, unverwandt.
Und wollt’ ihm gleich das Herz zerspringen:
er mußte um den Höchsten ringen!
Und da er einst von langer Reise
an Artus’ Hof zurückgekehrt,
die Helden saßen rings im Kreise
da ward die Botin Grals gehört:
„Nun deine Seele findet Frieden:
denn dir ward höchstes Heil beschieden!“
„So höre denn aus meinem Munde,
du Auserwählter! – dein Geschick! –
des Grals geheimnisvolle Kunde
die dir bescheidet höchstes Glück!
Du bist bestellt für alle Zeiten
zu schaun des Grales Herrlichkeiten!“
Die Ritter riefen: „Denke unser!“,
und ihre Herzen wurden weit:
„O Gralskönig, gedenke unser
in Treue und Barmherzigkeit!“
Und er empfing, wie seinesgleichen,
den Mantel mit des Grales Zeichen.
Und er begab sich auf die Reise
nach Montsalvatsch, dem heil’gen Ort,
wo er in demutsvoller Weise
getan das süße Mitleidswort.
Und sieh! – wie huldigt untertänig
die heil’ge Schar dem neuen König!
Nach heiligem Gebot die Krone
empfing der edle Parzival;
bestieg den höchsten aller Throne,
als Herrscher auf dem Berg des Gral.
Und es ging hin, sich zu vereinen
Amfortas mit den Himmelsreinen.
Wer kennt des Himmels heil’gen Rechte
und wer saß je in Gottes Rat?
Wer schaute die geheimen Mächte,
die gnadenvoll sein Schoß bewahrt?
Denn selbst der Engel heil’ge Scharen
vermochten sie nicht ganz erfahren.
Und ewig in bewegter Welle
es schöpft und mißt ein Gott die Zeit;
und fließt des Grales Himmelsquelle
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Gießt ewiglich in heil’gem Strahle,
die Gnade in die Wunderschale.
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