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Ein Erotikon

An einem heitern Sommertag
so ich verweilt im Walde,
kam ich beim letzten Vogelschlag
an eine grüne Halde.
Im Abendgolde wiegten sich
die hohen Wettertannen,
als schon die Schatten schwesterlich
des Waldes Saum umspannen.

Es lag, voll stiller Harmonie
im Glanz der Abendstunde
ein einsames Gehöfte, sieh,
verträumt im Wiesengrunde.
Wie lieblich um der Fenster Rand
der Nelke rote Blüten
an sonnverbrannter Balkenwand
in dunklem Purpur glühten!

Als ich zuletzt bis an das Tor
der Tenne war gegangen,
idyllisch vom begrünten Flor
des Efeus überhangen;
gewahrte ich mit einemmal
wie dort, mit leichtem Mute,
im letzten Abendsonnenstrahl
ein junges Mädchen ruhte!

Die jugendliche Schläferin
war seltsam wonnetrunken
in süßes Träumen, wie es schien,
voll Hingebung versunken.
Ein sinnenfrohes Lächeln lag  
um ihren Mund gebreitet:
Was immer es verheißen mag? –
und was es wohl bedeutet?

Sowie ich zögernd näherkam
las ich in ihren Blicken,
die Brust durchwogt von leiser Scham
halb Neugier, halb Entzücken.
Bei meinem Anblick schien sie sich
verführerisch zu strecken
und ihren Busen wonniglich
vom straffen Leib zu recken.

Ihr holder Abendsegengruß
klang heller als ein Glöckchen;
sie schob den sonnverbrannten Fuß
geschickt aus ihrem Röckchen.
Wie auf die bronzefarbnen Knie
des Haares Wogen wallten! –
und spornten meine Phantasie
zu kühnen Lustgestalten.

Wie unterm Kleidchen sehnsuchtsvoll
in brünstigem Verlangen,
der pralle Mädchenbusen schwoll
daß meine Pulse sprangen!
Nun neigte sie gar huldiglich
das Haupt in heitrem Spiele,
und frug voll süßer Unschuld mich:
ob sie mir nicht gefiele?!

Da ich den rechten Mut nicht fand
um Antwort ihr zu geben,
ergriff sie seufzend meine Hand
in wonnevollem Beben;
zog ach! – sie mit verliebtem Sinn
an ihre runde Büste,
und sank mit mir zur Erden hin
wo sie mich zärtlich küßte!

Wie nun, in tausendfacher Glut
und bebendem Umfangen,
wir wie auf tiefer Meeresflut
ertrinkend uns umschlangen;
und wir in Seufzern sonder Zahl
entfesselt, ohne Schranken,
wie aus dem schäumenden Pokal
die Glut der Küsse tranken.

Es schlug der Liebe Leidenschaft
gleich lichterlohen Flammen,
dämonisch mit verzehr’nder Kraft
hoch über uns zusammen.
Da war kein Wille, keine Macht
die jenem Sturme wehrte,
bis er, als wie nach heißer Schlacht,
sich in Erschöpfung kehrte!

Was gleicht der wunderbaren Lust
ein Liebchen hinzunehmen?! –
und sich an der Erwählten Brust
in Schauern zu verströmen?! –
in den bereiten Schoß verzückt
als in ein Meer zu tauchen,
und in dem Weibe hochbeglückt
die Seele zu verhauchen!

Epilog

Die Ärmste war, nachdem gewiß
der Tod, wie ich vernommen,
schon früh ein Kindlein ihr entriß
im Wahnsinn umgekommen.
Ihr Herz, dem Auge unsichtbar,
barg jenes Leid vor allen:
daß einst sie doch ein Engel war! –
ein Engel, der gefallen!



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