DeutschFrançaisEnglish
   
 
   
   
   
 
 
     
   
 

 


Aus Xanthos‘ trotzigen Mauern ritt
Bellerophon auf beflügeltem Rosse
Rings bedräu’n ihn der Pfeile Geschosse
Doch sie hemmen nicht seines Pferdes Tritt
Rasch eilt es dahin mit fliegendem Schritt
„Sie sollen mein Roß mir nicht scheuen!
So zieh‘ ich, mein Liebchen zu freien!“

So fliegt er über den lichten Plan
mit traumbefangenen Sinnen
da schallt es einher von den Zinnen:
„Es ruhe nimmer, o Jüngling, dein Bann!“
spricht Peisistratos‘ Sohn der Tyrann
„Im Nacken die blankichten Streiter,
seien fürder dir stete Begleiter!“

Der gestrenge Fürst der Lykier
Öffnet der Feste Pforte
Und weist nach entferntem Orte.
„Ihr Krieger!“ ruft er, „ergreifet den Speer,
verfolgt den Empörer mit blitzender Wehr,
doch tuet ihm nichts zuleide!
Vernichtet den Quell seiner Freude!“

Woraufhin einer der Häscher spricht:
„Wir kennen den Hort seiner Lieben!
Sie mag Erynniens‘ Geißel betrüben!“
„Entfachet verderblichen Feuers Licht!“
fährt es dem König vom Angesicht,
„und ist Nemesis‘ Rache gediehen,
so lasset in Frieden in ziehen!“

Es schwingen des Königs Reiter sich
Geschwind auf die harrenden Pferde
Und donnernd erbebet die Erde.
„Weh dir, kühner Jüngling, hüte dich!
Es sinnen die Parzen dir fürchterlich!
Spornend das Roß gestreichet
Auf daß es sein Ziel erreichet!“

Und der Jüngling an Gebirges Kluft bahnt
Eilends den Weg sich gerade
Da teilt eine Schlucht seine Pfade.
Und nicht eines Menschen hilfreiche Hand
Weist ihn an jenseit’ger Gestade sich’res Land,
so magst hie, armer Knab‘, du verweilen,
indes der Feinde Rosse enteilen.

Und er wendet zum Hippogryphe den Blick,
dem Halse, dem stolz erhöhten:
„Errette mich von den Nöten!“
Kein Auge schweift ängstlich ans Ufer zurück,
Fortuna erweiset den Wagenden Glück,
und hoch über greulichte Schlüfte,
brauset das Roß durch die Lüfte.

Überwindend des Berges ragend Gestein
Will er durch Waldes Dunkel sich wagen,
da hört eine Stimme er klagen:
„Erbarmet Euch Ach! Edler Jüngling, mein,
eine Schäf’rin, wart‘ ich in unsel’ger Pein,
daß mich, die Gebärn’de, entbinde,
ein Barmherz’ger vom empfangenen Kinde!“

Der Jüngling sogleich vom Rosse springt:
„Weh! Dich hat der Buhle verlassen!
Heiß‘ deine Hand mich erfassen!“
Mutterschmerz aller Freuden höchste bringt,
heißer Seufzer aus ihrem Munde dringt,
und getreulich hält er die Wacht,
bis das Kindlein sie niedergebracht!

Und als ritterlich er solchen Dienst vollendet
Zu Pferde er rüstig sich schwinget
Und flugs nach dem Walde es dränget.
Wenn das Gestirn, das finst’re, die Seligkeit schändet,
sei am Nächsten die Liebe dir nicht verpfändet,
und geschwinde den Forst er durcheilet,
als Räubers Horde das Tannicht zerteilet!

Es umringen ihn schnell die Bösewichter
Und säumen des Reitenden Eile,
mit schauderhaftem Geheule.
„Was wollt!“, rieft der Jüngling, „ihr Gelichter,
seiet nimmermehr meines Lebens Richter!“
und kühn das Schwert er gezücket,
die feige Bande im Walde entrücket.

Und es neiget sich schon der Sonne Strahl,
als freie Flur er gewinnet,
und Abendrot fein ihn umspinnet,
da grüßet ihn stolz mit einem Mal
seiner Geliebten Schloß hoch über dem Tal.
„Sieh! Seiner Zinnen luft’ges Band
spielet mit des Himmels rosichtem Brand!“

So ruft er und spornet eilends sein Roß,
und als das Ziel er erreichet,
im Sattel jäh er erbleichet!
Die Flamme schlägt lohend auf vom Schloß
Erhellend der Erde blutigen Schoß
Und auf Bergfrieds schwindlichten Zinnen
Steht die Geliebte mit erschaudernden Sinnen.

Und die verderbliche Garbe umflammt
Den Turm in neblichtem Wehen,
den gaffend die Häscher umstehen.
„Dies gebeut uns des Königs Amt,
deines Frevels willen sei auf ewig verdammt!
Es verlangte dich nach der Götter Gut,
sei denn bestraft mit der Schwere Mut!“

Und auf des Turmes flammender Zinne wehet
Der Kamöne weißes Linnen im Winde,
da ruft’s empor zu dem unschuld’gen Kinde:
„Und wenn auch der Welten Lauf vergehet,
der Liebenden Treue, nicht wankend, bestehet!“
Und mit heldenmüt’gem Evoe
Stürzt er sich in die brennende Lohe.

Und in Äthers glutenden Sphären,
sieht Hespers Bahnen man gülden schon zieh’n,
der Eos Sonnenrosse feurig entflieh’n
und funkensprüh’nde Chimären
umfrieden die Stätte mit schnaubichten Chören
indes das Auge Lunens erscheinet
und der Liebenden Schicksal beweinet.

Ach! Keine Märe ward davon gesungen!
Und getroffen von federndem Speere
Sinkt sterbend dahin die Chimäre.
Und die Häscher, die der König gedungen,
seh’n die Beiden liebend umschlungen,
an flammn’den Abgrund gesetzet den Fuß
während Kronion entrücket den Pegasus.

Da klingt eine Stimme hell durch die Nacht:
„Ihre Lippen süß an den meinen!
Jetzt mag der Tod uns vereinen!“
Und heiliger Opferflamme Macht
Erhellt des gestirnten Himmels Pracht
Und in bänglichem, angstvollem Schauern
Schweifen die Blicke empor zu den Mauern.

Der beiden Leiber schimmern in Mondes Glanz
Die Mauern erzittern im Feuer
Und schwankend bricht das Gemäuer
Und aus brennender Festen Feuerkranz
Fließt süß es hernieder in Seligkeit ganz:
„Verkündet, o Mörder, die Ode,
von liebender Treu bis zum Tode!“



Zurück