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I.
Einst trafen sich die Tiere des Waldes, um den Geburtstag von Vetter Fuchs zu feiern. Alle Waldbewohner hatten sich daher vor dessen Höhle versammelt, und der Jubilar bedankte sich gerührt über die vielen Geschenke, die jene ihm dargebracht hatten. Zuletzt erschien die kleine Waldmaus, welche ihrer großen Armut wegen ohne Gabe kommen mußte; sie schämte sich darob gar sehr und versicherte, wie überaus groß ihre Freude sei, daß Vetter Fuchs sie trotzdem zu seinem Ehrentage eingeladen habe, obgleich er ja gewußt hätte, daß sie ihm kein Geschenk machen könne. Dann trat sie bescheiden hinter die anderen zurück, weil sie sah, daß jene sich sämtlich prächtig geputzt hatten und sie nur ein unansehnliches, graues Fell hatte.

II.
Da fing nun, nachdem Vetter Fuchs seine Gäste auf das vortrefflichste bewirtet hatte, ein Streit unter ihnen an, wer denn nun das schönste Geschenk gemacht habe. „Ei, gewiß ich“, rief Kunze der Häher, „die allerbesten Eicheln habe ich eigens vom Baume heruntergeschüttelt, das hat mich gar vielerlei Mühen gekostet!“

III.
„Das ist noch gar nichts“, versetzte Hinze der Kater, „ich habe sechs mühevolle Tage gebraucht, bis ich Mutter Eule endlich dazu bereden konnte, mir das Buch zu überlassen, von dem sie so weise geworden ist. Und da ich genau wußte, daß Vetter Fuchs schon lange begierig darauf war, jenes Buch zu besitzen, damit er so schlau werden könne wie Mutter Eule, hab‘ ich es ihm mit mancherlei List zu verschaffen gewußt“, schloß Hinze und warf sich stolz in die Brust.

IV.
„Ah bah“, warf Isengrimm der Wolf ein, „bilde dir nur ja nichts über dein Buch ein. Außerdem ist es schon ein ganz altes, ich weiß es genau! Aber ich, ich habe zwei geschlagene Wochen lange vor Bauer Häberles Scheune lauern müssen, um auch wirklich eine wohlgenährte, fette Gans fangen zu können, wie sie Vetter Fuchs so gerne hat. Überdies hat Häberle einmal mit der Flinte nach mir geschossen, und leicht hätte das Abenteuer schlecht für mich ausgehen können!“

V.
„Einen vollen Monat lang“, ereiferte sich jetzt Grimbart der Dachs, „habe ich den Wald nach den feinsten Wurzeln und Kräutern durchstreift und dabei weder irgend Plagen noch Mühen gescheut. Mehr als nur einmal hat mich der böse Jäger dabei aufs Korn genommen, und hätte ich mich nicht jedesmal rechtzeitig wieder in meinen Bau verkriechen können – nun! ich stünde jetzt wohl kaum mehr in eurer Mitte!“

VI.
„Nun“, versetzte Vetter Fuchs endlich, „ich habe wohl gesehen, daß ihr euch alle sehr viele Mühe gegeben und allerlei Gefahren auf euch geladen habt, um mir eine Freude zu machen, und glaubt mir, ein Geschenk ist mir so lieb wie das andere! Aber“, so fuhr er fort, „am meisten habe ich mich doch über den Besuch der Waldmaus gefreut, und wenn sie auch gleich kein Geschenk für mich hatte, so habe ich doch bemerkt, daß ich ihr durch meine Einladung eine große Freude bereitet habe! Ihr alle habt euch redlich darum bemüht, mir gefällig zu sein, aber die größere Freude empfindet man doch immer dabei, geben zu dürfen anstatt beschenkt zu werden, und durch das Glück eines andern wirkt die Freude auf einen selber zurück, sodaß wir so schließlich selbst zum Beschenkten werden! Merkt euch, liebe Freunde, künftig im Leben weniger auf eure Güter wie auf euch selbst zu achten, da vielmehr das rechte Wort und ein edler Anstand weit mehr vermögen als jene!“ So hatte am Ende Vetter Fuchs die Gäste tief beschämt, und die kleine, arme Waldmaus freute sich gar sehr, vor all den andern ein so großes Lob erhalten zu haben.








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