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Den klassischen Ausgangspunkt, um einen Einblick in die Verhältnisse von Raum und Zeit in ihrem innern Zusammenhang zu erhalten, bietet uns jenes Relativitätsprinzip, wonach es zum Beispiel einem Beobachter im Inneren eines geschlossenen Behältnisses unmöglich ist, aufgrund von mechanischen Versuchen zu bestimmen, ob das Behältnis sich nun im Zustande der Ruhe oder aber jenem einer gleichförmig-geradlinigen Bewegung befindet. Wir erkennen aus den genannten Prämissen, daß sich Bewegungen immer nur relativ zu einem Bezugssystem feststellen lassen; so wäre es uns etwa unmöglich, den Bewegungszustand einer Eisenbahn, auf der wir uns befinden, festzulegen, würde sich parallel dazu eine zweite Eisenbahn mit derselben Geschwindigkeit in einem leeren oder mitbewegten Raum bewegen.
Nachdem die mechanischen Grundgesetze in diesem Zusammenhang sämtlich gleichwertig sind, warf man die Frage auf, ob es etwa möglich sei, den Bewegungszustand eines Körpers mittels optischer, elektromagnetischer Experimente nachzuweisen. Da man nun annahm, daß das Licht einer Wellenbewegung in einem feinen Medium, dem sogenannten „Äther“, entspräche, mußte man erwarten, daß die Bewegung eines Gegenstandes relativ zum Äther, etwa unserer Erde, durch Messungen der Lichtgeschwindigkeit in verschiedene Richtungen ermittelt werden könnte. Die relative Geschwindigkeit müßte sich also mit Bezug auf den Äther, je nachdem, ob man sich diesem nun annähert oder entfernt, entweder verringern oder erhöhen. Nachdem man nun diesbezügliche Experimente angestellt hatte, stellte man entgegen aller Vermutungen fest, daß jenes von einem Himmelskörper zur Erde gelangende Licht, relativ zur Erde, stets ein- und dieselbe Geschwindigkeit aufwies – einerlei, ob sich letztere nun dem Lichte entgegen bewegte oder nicht. Diese paradoxe Erkenntnis veranlaßte Albert Einstein
[1] zu seinem „Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit“ und begründete darauf eine neue Lehre von Raum und Zeit. Überlicherweise gilt, daß sich mit zunehmendem, zurückgelegten Raum die Zeit, die noch benötigt wird, um zu einem bestimmten Punkt zu gelangen, verkürzt. Die Tatsache, daß dieses vom rein euklidisch-geometrischen Standpunkte logische Phänomen in Hinblick auf die Lichtgeschwindigkeit plötzlich nicht mehr festgestellt werden konnte, ließ nur eine Folgerung zu: die Lichtgeschwindigkeit mußte demnach eine absolute, also eine konstante Größe, darstellen; oder, um es anders auszudrücken, jener Punkt, wo die Korrelation von Raum und Zeit keinen Anspruch mehr erheben konnte, war mit der Lichtgeschwindigkeit erreicht: Raum und Zeit waren gleichsam eins geworden! [2]
Es zeigte sich ferner, daß die bis dahin in der Physik geltende Vorstellung einer absoluten Gleichzeitigkeit sich nicht mehr aufrechterhalten ließ; vielmehr schien jegliche Zeitangabe fortan an ein Bezugssystem gebunden. Demnach vergeht beispielsweise die Zeit eines in schnelle Bewegung versetzten Objektes für den ruhenden Beobachter langsamer als etwa für einen sich mit dem bewegten Gegenstande mitbewegten. Diese Erscheinung bezeichnen wir als Zeitdilatation. In gleicher Weise verkürzen sich die in die Bewegungsrichtung fallenden, stereoskopischen Abmessungen des in Bewegung versetzten Gegenstandes, von einem ruhenden Beobachter aus gemessen, gegenüber jene der vom mitbewegten Beobachter aus gemessenen Länge. Diesen Vorgang bezeichnen wir als Längen- oder Lorentzkontraktion [3]. Beiderlei Effekte sind jedoch erst bei einer sehr hohen, mit der Lichtgeschwindigkeit (300.000 km/ sec) vergleichbaren Geschwindigkeit feststellbar. Aus diesem Zusammenhange wiederum erhellt, daß die Lichtgeschwindigkeit eine für Bewegungen unüberschreitbare Grenzgeschwindigkeit darstellt; für die Materie ist nur eine asymptotische Annäherung möglich. Daraus ergibt sich, daß jeglicher physikalische Vorgang auschließlich durch Vermittlung einer sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Wirkung auf andere, räumlich entfernte Vorgänge Wirkung zeitigen könne. Die physikalischen Gesetze in ihrer Anwendung sind somit unmittelbar durch die Geschwindigkeit des Lichtes begrenzt. Aus diesen Überlegungen heraus wurde auch auf das Anwachsen der trägen Masse eines bewegten Körpers mit seiner Geschwindigkeit sowie der Zusammenhang der Masse mit dem Energiegehalt geschlossen: einer Masse m entspricht demnach stets eine Energie e, multipliziert mit einer Quadratur der Lichtgeschwindigkeit (E=mc2) und umgekehrt.
Die allgemeine Relativitätstheorie, im Gegensatz zur obengenannten, speziellen, dringt auf eine noch umfassendere Gültigkeit des Relativitätsprinzips: gemäß Einstein beansprucht dasselbe auch im Falle von beschleunigten Bewegungen, etwa durch die Einwirkung von Gravitationsfeldern, seine Gültigkeit. Jener im Behältnis eingeschlossene Beobachter nämlich ist ebensowenig imstande, durch physikalische Versuche festzustellen, ob das Behältnis sich in einem gravitationsfreien Raum geradlinig-gleichförmig bewegt oder nicht, oder ob es durch ein Gravitationsfeld beschleunigt wird, also in ihm gleichsam „frei fällt“. Diese Ununterscheidbarkeit beruht auf der universellen Äquivalenz der schweren wie trägen Masse; alle durch homogene Gravitationsfelder beschleunigten Bewegungen sind ein physikalisches Äquivalent jener nicht durch Gravitation beschleunigten Bewegungen im feldfreien Raum. Die Ausführung dieses Gedankens erforderte allerdings einen grundsätzlichen Verzicht auf die euklidsche Geometrie, die auf den physikalischen, vierdimensionalen Raum nur in ihrer Annäherung anwendbar ist; das Vorhandensein von Gravitationsfeldern nämlich bedingt eine sogenannte „Raumkrümmung“. Eine Bewegung unter dem Einfluß von Anziehungskräften ist demnach nur eine andere Schreibweise für eine kräftefreie Bewegung bei Raumkrümmung.
Während im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie die Geometrie der vierdimensionalen Raum-Zeit-Welt unabhängig von der Materie konstituiert wurde, so schreibt sich die allgemeine Relativitätstheorie von der Verteilung und Bewegung der Materie im Kosmos her. Diese spekulativen Ideen, etwa, daß der kosmische Raum ein geschlossener, nichteuklidischer Raum sei, führte zu einer Reihe von verifizierbaren Voraussagen, die durchgehends bestätigt werden konnten (Periheldrehung der Merkurbahn – Lichtablenkung im Schwerefeld und Definition der Gravitationslinien – Rotverschiebung des Lichtes im Schwerefeld etc.). Der direkte Nachweis der von der allgemeinen Relativitätstheorie – die eine klassische Feldtheorie der Gravitation ist (Einsteinsche Gravitationstheorie) – vorhergesagten Gravitationswellen indessen steht noch aus. Aus diesen Erkenntnissen hat sich in der Weiterentwicklung die Quantenphysik und mit ihr die Quantentheorie entwickelt, die man nun mit der Einsteinschen Gravitationstheorie in Konkordanz zu bringen versucht. Nach all diesem läßt sich wohl feststellen, daß der Menschheit einiges möglich wäre, wären wir nicht an das rein Stoffliche, die Materie, gebunden; aber nur im Geiste eben vermögen wir das wahrhaft Göttliche, nur dem von der sterblichen Hülle befreiten Geiste wird es jemals möglich sein, Raum und Zeit zu überwinden und zu Gott
[4], der ja das Licht selbst ist, und somit zur ewigen Erlösung, vorzudringen.

 

[1] Albert Einstein (1879-1955) erhielt für sein großes Verdienst um die Physik 1921 den Nobelpreis. Der Zusammenhang seines Namens mit der Relativitätstheorie wird als bekannt vorausgesetzt.
[2] Aus dieser Feststellung erhellt auch die theoretische Annahme, daß, wäre es der Materie etwa möglich, schneller als die Lichtgeschwindigkeit zu sein, Vergangenheitsreisen möglich sein müßten. Die sogenannte Gegenwart ist demnach nur ein statischer Punkt des Überganges von Zukunft in Vergangenheit. Alleine die Zeit wäre zu abstrakt, um ohne den Raum bestehen zu können. So erfolgt das progressive Raum-Zeit-Verhältnis, wie wir es kennen, den Gesetzen einer temporalen Akkumulation sowie einer lokalen Ablation; der Raum wird demnach von der Zeit komprimiert. Der Raum aber kann nicht verlorengehen. Würde nun eine Geschwindigkeit x die Lichtgeschwindigkeit übersteigen, so käme es zu einer retrograden, also rückläufigen Raum-Zeit-Bewegung; der Raum würde gleichsam in ein rezessives Verhältnis verschoben und die Zeit rückläufig komprimieren – bis zurück zum Anfang. Die Operation würde auf diese Weise invertiert – die Vergangenheit würde nun in Zukunft gleichsam assimiliert, und der Kreis würde sich wiederum mit der Lichtgeschwindigkeit schließen. So ist also Zeit gleichsam ein unendliches perpetuum mobile einer temporalen Transsubstantation. Die Lichtgeschwindigkeit ist demnach die einzige wirkliche Gegenwart und die Raum-Zeit-Struktur entweder ein großes Gebäude aus Vergangenheit und Zukunft – oder aber aus unendlich vielen Gegenwartsquanten. In diesem letztern Punkt verhalten sich Lichtwellen und Photonen analog zu Vergangenheit-Zukunft und Gegenwart.   
[3] Hendrik Antoon Lorentz (1853-1928) erhielt 1902 zusammen mit P. Zeeman den Nobelpreis für Physik. Er entdeckte die nach ihm benannte Lorentzkontraktion der Entfernungen bei hohen Geschwindigkeiten und stellte Formeln für den Übergang der vierdimensionalen Raum-Zeit-Welt von einem ruhenden Koordinatensystem zu einem gleichförmig-geradlinig zu diesem bewegten auf (Lorentztransformation).
[4] Viktor E. Frankl, Der unbewußte Gott; über Psychotherapie u. Religion, Kapitel 8, Logotherapie u. Theologie. Demnach soll Einstein einmal gesagt haben, daß die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen religiös sein heißt.



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