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LESEPROBE

Ich sah Franz Hofer zum ersten Mal auf der Malerschule zu München; ein kleiner, untersetzter Bursche mit bäuerischen Gesichtszügen, in sich verschlossen und wortkarg, dabei in seinen Bewegungen oft linkisch und ungeschickt; stets verhielt er sich leidend, und nie hätte ich bei ihm gesehen, daß er, sooft er die zahlreichen Sticheleien seiner Kameraden in gutmütigem Erdulden über sich ergehen lassen mußte, dabei unmutig oder gar zornig gewesen wäre! Nie hätte man es dem unscheinbaren Menschen angesehen, daß sich hinter jener Fassade, mit der er seiner Mitwelt vor Augen trat, ein Genius verbarg, der eine Überlegenheit verriet, welche sich ihrer selbst kaum bewußt schien; und wenn das Wort Genie in Wahrheit das bedeutet, was es besagen will, so ist Franz Hofer das einzige Genie gewesen, das ich Zeit meines Lebens gekannt habe, ehe das Schicksal ihn auf so unrühmliche Weise unserem irdischen Leben entrückte – doch halt! ich will nicht vorgreifen, sondern mich bemühen, alles der Reihe nach zu erzählen!
Ich war damals mit einigen Freunden in jene berühmte Malerschule eingetreten, welche seinerzeit den vorzüglichsten Ruf genoß und für eine der besten ihrer Art in ganz Deutschland, ja wohl in ganz Europa galt; es unterrichteten dort die besten Professoren ihres Faches, wie etwa der vortreffliche Karl von Piloty, die Herren von Ramberg, von Kaulbach und noch manch andere, deren Namen in jener Zeit einen großen Klang in der Malerwelt hatten. Ohne die Absicht, die hohe Vortrefflichkeit der Schule im mindesten anzutasten, muß zur Ehrenrettung der Wahrheit gesagt werden, daß der vorzügliche Ruf, den die Schule in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts genoß, bereits etwas von dem in jener Zeit in Frankreich gerade in Mode gekommenen Impressionismus verwässert war, dem sich nun viele unserer Lehrer und Maler anschließen zu müssen glaubten. Auf diese Weise wurden wir naturgemäß auch mit dem neuen Stile vertraut und bemühten uns nach Vermögen, den Ansprüchen unserer Lehrer zu genügen. Ich mochte mich etwa ein halbes Jahr redlich auf der Akademie abgemüht haben und wir befanden uns gerade dabei, einige Studien zur Gestaltung des menschlichen Körpers vorzunehmen, als mit einemmal die Tür zu unserem Atelier aufging und unser alter Professor Lindenschmidt einen kleingewachsenen, dicklichen Kerl hereinführte, dessen komische Erscheinung sogleich das Interesse sämtlicher Schüler auf sich zog. Schon irrten leises Geflüster und verhaltene Spottreden durch den Raum, als der Professor erklärte, es sei dies ein neuer Schüler, Franz Hofer mit Namen und aus Österreich gebürtig, der mit dem heutigen Tage sich an unseren Studien beteiligen wolle. Mit diesen Worten ließ er den hilflosen Menschen allein in dem Raume zurück, welcher unbeholfen mit den Händen auf seinem Bauche herumfingerte, sodaß sich wiederum ein mutwilliges Lachen erhob, ehe sich unser Professor des Ärmsten erbarmte und ihm einen Platz in den hintersten Reihen anwies. Ich konnte nicht umhin, während des Vortrages ein- um das andere Mal nach dem Neuen zu schielen, welcher mit einem Ausdrucke seines Gesichtes, der aus einer seltsamen Mischung von schüchterner Unbeholfenheit und seltner Blödigkeit bestand, sich mühte, den Worten unseres Professors zu folgen. Auch hatte ich sehr wohl bemerkt, wie unsere Kameraden sich bisweilen mit dem Ellenbogen stießen, einander heimlich etwas zuflüsterten und daraufhin leise kichernd nach dem armen Hofer schielten, der die vielen spöttischen Blicke, denen er sich ausgesetzt sah, wie Pfeilspitzen auf sich fühlen mochte und dadurch nur noch mehr in Verlegenheit geriet. Zuletzt, als es dem Professor zuviel wurde, ermahnte er uns ernstlich, wieder auf den Vortrag achtzugeben. Allein dies gelang so halb und halb, doch konnte ich nach wie vor bemerken, wie zuweilen einer unserer Kameraden mit bezeichnenden Blicken nach dem armen Franz Hofer schielte und sich an der ungeschickten Blödigkeit des Ärmsten zu ergötzen schien. Als der Professor seinen Vortrag beendet hatte, richtete er einige Fragen an uns, um zu sehen, wie weit wir das soeben von ihm Gehörte aufgenommen hätten, als eine jener Fragen auch an Franz Hofer erging: dieser wußte gar nicht, wie ihm geschah, er stotterte eine Weile verlegen in wirren, unzusammenhängenden Worten herum, wobei jener bäuerische Akzent, dessen er sich dabei bediente, unsere höchste Belustigung erweckte, sodaß er zuletzt ganz steckenblieb und verschämt verstummte. Indem wir noch mehr oder weniger über den Ungeschickten lachten, gebot der Professor Ruhe und wiederholte in wohlgesetzten Worten nochmals die Antwort, welche der gute Hofer auf so peinliche Weise schuldig geblieben war, und damit war der Unterricht für diesmal beendet. An demselben Tage begegnete nicht mehr viel, da wir jenen Tag nicht malten oder zeichneten, sondern nur einige theoretische Studien verschiedenster Art vornahmen, doch besinne ich mich noch gar wohl darauf, daß Hofer noch einige Male der Gegenstand unseres Spottes wurde; und als er nach beendetem Unterricht die Schule verließ und mit behäbigen Schritten davontrottete, da hagelte es freilich noch manches Scherzwort hinter dem Ärmsten her!
Am nächsten Tage hatten wir uns im Atelier alle hinter unsere Staffeleien begeben, um mit Kohle einige Studien und Veduten zu verschiedenen Gegenständen der Natur auszuführen. Auch Franz Hofer hatte sich hinter seine Staffelei begeben; wir alle konnten es kaum erwarten, die ersten Striche des Bauerntölpels auf den blütenweißen Papierbögen zu sehen, und, waren diese nicht zu unserer Zufriedenheit ausgefallen, den Unglücklichen nach gehöriger Weise auszuführen! Ich hatte meine Staffelei gleich neben der Hofers stehen, und so hatte ich den besten Blick auf sein Blatt, sodaß ich vor lauter Neugierde achtgeben mußte, meine eigene Arbeit nicht zu vernachlässigen; allein unsere Erwartungen, welche wir unserer Auffassung zufolge an das erbärmliche Äußere des armen Hofer knüpfen zu müssen glaubten, wurden auf das bitterste enttäuscht!
Gleich bei den ersten Linien, die er mit seiner Hand, welche soeben noch ungeschickt an seiner zerschlissenen Hose gezupft hatte, nun mit wohlgeübten Bewegungen auf dem Blatte vollführte, erkannte ich, daß er genau wußte, was er tun wollte. Seine Hand glitt behende über den Bogen hin, mit sicherer und fester Hand führte er den Zeichenstift, und noch ehe einer der unseren etwas Achtbares zustande gebracht, hatte Franz Hofer eine Studie vollendet, an der kein Strick zuviel, kein Strich zu wenig erschien und welche auf die natürlichste und selbstverständlichste Art das vermittelte, was es vorstellen sollte! Nachdem er noch einige wohlgesetzte Schattierungen auf derselben angebracht, verfiel er wieder in die gewohnte Unbehilflichkeit und trat unruhig von einem Fuß auf den andern. Auch alle Übrigen reckten neugierig die Hälse, um einen Blick auf unseres neuen Schülers Bogen zu erhaschen, und da sie nun die wohlgeratene Skizze Hofers erblickten, da erstarb gar manchem das schon in Bereitschaft gehaltene spöttische Lächeln oder hämische Wort auf den Lippen. Als der Professor wenig später die gewohnte Runde machte, um das Ergebnis seiner Schüler zu betrachten und Lob oder Tadel zu spenden und zuletzt auch an Hofers Staffelei kam, da konnte ich an seinen Mienen sogleich bemerken, daß er nicht erwartet hatte, eine derart vortreffliche Studie vorzufinden. Er konnte nicht umhin, dieselbe mit mäßigen Worten zu loben, doch unterließ er nicht, die Studie Hofers, da auch er ein Jünger des taufrischen Impressionismus war, ihrer allzu großen Naturwahrheit wegen zu tadeln, da jene nach dem neuen Kunstverstande veraltet sei und es nun mehr denn je darauf ankomme, die Effekte mittels einer exakten Verteilung von Licht und Schatten hervorzurufen. Gleichsam zum Exempel zauberte er sogleich ein von ihm selbst verfertigtes Bildnis derselben Art hervor, und obwohl es in seiner Weise gewiß mit beeindruckender Technik ausgeführt worden, so dünkte mich die Zeichnung Hofers, wie ich mir insgeheim gestehen mußte, doch unendlich viel besser! Ich mußte mir eingestehen, daß mich die sichere Art, mit der Hofer seine Studie ausgeführt hatte, ihm gegenüber mit Achtung erfüllte, auch wenn ich diese zunächst noch nicht öffentlich zu äußern wagte! Von diesem Augenblicke an beobachtete ich die allergrößte Vorsicht, sobald es daran ging, den armen Burschen wieder einmal seiner Unbehilflichkeit oder eines sonstigen Fehltrittes wegen tüchtig auszuführen; niemand, der auch nur den geringsten Begriff von Malkunst hegte, konnte, wie sich in der Folge erwies, daran zweifeln, daß Franz Hofer uns übrigen, die wir allenfalls über ein durchschnittliches Talent verfügten, das nicht weit über gewöhnliches Mittelmaß hinausreichte, in der souveränen Art, wie er selbst die schwierigsten aller an ihn gestellten Aufgaben zu lösen wußte, so unendlich weit überlegen war, als es ein Meister seinen Schülern gegenüber immer nur sein konnte! War es nun seine zurückhaltende Art, die ihm nicht gestattete, mit jemandem der unseren in ein vertrauteres Verhältnis zu gelangen, war es seine linkische und tölpische Erscheinung, welche an der Grenze wahrer Blödigkeit zu stehen schien, seine alles erduldende Art, mit der er jeden Spott zurückwies und gleichsam an sich abprallen ließ oder das unbewußte und kränkende Gefühl seiner Überlegenheit – ich wußte nicht, woran es gelegen hatte, daß man dem stillen Menschen von nun an immer feindseliger gegenübertrat.
So besinne ich mich etwa noch einer Stunde, wo die rechte Mischtechnik der Ölfarben gelehrt wurde: als Studie hierzu sollten wir ein Stilleben nach dem Vorbilde eines buntfarbenen Blumenbouquets anfertigen. Ich hatte mein Werk mit einiger Zuversicht begonnen und konnte davon gewiß nicht sagen, daß es mir übel geraten wäre; doch sobald ich über die Schulter blickte und sah, welch Meisterwerk dem Franz Hofer unter den Fingern emporwuchs, da konnte ich denn nicht anders, als mich selbst eines Stümpers zu zeihen und mir einzugestehen, daß wir alle, der Professor nicht ausgenommen, es nicht mit ihm aufnehmen konnten! Unser Professor, der, wie ich erwähnte, sich des Impressionismus befliß, der ihm das Supremat über die Malerei auszuüben schien und von welchem er bisweilen behauptete, daß in ihm die Zukunft aller Malerei liege, hatte es Hofern schon einige Male verwiesen, daß er zu sehr in der naturalistischen Weise verharre; und obwohl ich insgeheim fühlte, daß es einzig an Hofers genialem Talente lag, daß ihn nun auch unsere Professoren zum Teil in das enge und unbequeme Prokrustesbette ihres Kunstverständnisses zu zwängen trachteten, hatte ich doch aus natürlicher Gewohnheit zuviel Ehrfurcht vor unseren Lehrern, daß ich nicht wahrhaft geglaubt hätte, sie wüßten in derlei Dingen eben besser Bescheid und wir Schüler hätten uns ihren Winken und Weisungen zu fügen! Als nun alle mit ihrem Bilde leidlich zu Rande gekommen waren, schritt unser Professor durch die Reihen und langte, nachdem er dem einen Lob, dem anderen Tadel gespendet hatte, zuletzt auch bei Hofern an! Er betrachtete dessen Bild, das unzweifelhaft auf das Meisterlichste ausgeführt war, und indem er diesmal entgegen seiner Gewohnheit sogar das Lob sparte, tadelte er ungerechterweise die mangelnde Lichtwirkung, welche dasselbe hervorbringe; die Wirkung eines Bildes oder eines Gemäldes überhaupt, vertrat er die Ansicht, beruhe eben auf dem Spiel von Licht und Schatten, das auf den Betrachter wirke, und wenn ein Bild nicht die rechte Lichtwirkung aufwiese, so sei es an demselben gefehlt; auch der Pinselstrich müsse nun kürzer, gleichsam à la virgule, ausfallen, der Pinsel also im allgemeinen knapper geführt werden, denn nur auf diese Weise wäre es möglich, das natürlich einfallende Licht auch in seiner Reflexion im Sinne des Kunstwerkes einzufangen. Nach diesen Ausführungen wandte er sich von Hofern ab, der, sehr zum Ergötzen vieler der unsrigen, nun unbehilflich und mit rotem Kopfe als ein Getadelter dastand, und als die Stunde um war, da machten es sich einige besonders Übermütige zum Vergnügen, Farbe auf ihre Pinsel zu schmieren und dieselbe nach der Art eines Bogens auf den schicklichen Entwurf des armen Hofer abzuschnellen. Bald war sein vortreffliches Bild von allerlei unansehnlichen Farbtupfen entstellt, und zum allgemeinen Gelächter hielten ihm nun einige spaßeshalber einen Sermon, wie er künftighin es zur Meisterschaft bringen werde, wenn er seinen bäuerischen Dickkopf nur dazu bequemen wolle, auf ihre Worte zu hören. Franz Hofer ließ all dergleichen mit der unerschütterlichsten Gleichmut über sich ergehen, indem er unbeholfen dazu lächelte und nichts darauf zu erwidern wagte, da er ahnen mochte, daß, sobald er nur zu reden beginne und nicht imstande wäre, seinen bäuerischen Akzent zu bemeistern, die Kameraden seiner erst recht schmähen würden! Beim Anblick des armen, unglücklichen Hofer, der, von Spöttern umringt, unfähig war, sich irgend zur Wehr zu setzen, mußte ich unwillkürlich an jene Stelle der Bibel denken, wo es heißt: „Viele gute Werke habe ich vor euren Augen getan! Für welches dieser Werke wollt ihr mich steinigen?“ – und eine eiskalte Wut stieg plötzlich in meinem Innern empor. Ich hatte wohl zunächst, gleich vielen anderen, auch zu jenen gehört, welche über den Ärmsten sich belustigt hatten, hatte es damit aber nie auf die Spitze getrieben, da er mich schon damals zuweilen gedauert hatte; und nachdem ich, der ich von mir selbst glaubte, keiner jener Menschen zu sein, die stets an der Oberfläche der Dinge verharren, bemerkt hatte, wie gewandt Hofer den Pinsel zu führen verstand und daß auf dem Grunde seiner Seele ein ganz anderer Mensch wohnen mußte als der, der er nach außen hin zu sein schien, hatte ich damit aufgehört, mich am Gezänk der übrigen zu beteiligen mit dem Erfolg, daß auch andere meinem Beispiel gefolgt waren und man den armen Hofer von da an in Ruhe ließ. Der Anblick seines geschändeten Kunstwerkes wie seiner geschmähten Person hatten mein Inneres in die äußerste Empörung versetzt, sodaß ich zuletzt meinen ganzen Mut zusammennahm und ausrief: „Laßt den Hofer in Ruhe! Jetzt ist es einmal genug damit, seht zu euren eigenen Dingen und den Balken in euerm Auge, dieweil ihr den Splitter bei anderen sucht!“
Augenblicklich verstummte der Lärm, aller Augen hatten sich verwundert nach mir gerichtet, doch keiner wagte darauf einen ernsthaften Einwand.
„Du verstehst auch gar keinen Scherz, Barthenstein!“, war das Einzige, was ich bei dieser Gelegenheit zu hören bekam, doch ging man seiner Wege und ließ den Ärmsten wenigstens für diesmal in Ruhe.
Am selben Tage, nach beendetem Unterricht, da ich mich soeben anschickte, den Ort zu verlassen, gewahrte ich Hofern, wie er einsam auf dem Platze vor dem Gebäude unter einer jener Akazien stand, welche in losen Gruppen auf Rondellen zwischen den Pflastersteinen emporwuchsen; er schien zu zögern, als sein Auge auf mich fiel, doch da ich an diesem Tage alleine war und mich in niemandes Begleitung befand, trat er, als ich eben unfern an ihm vorübergehen wollte, schüchtern auf mich zu, streckte mir seine rechte Hand entgegen und sagte: „Ich … ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken, daß Sie mir heute so mutig Beistand geleistet haben!“
Nachdem er diese Worte gesprochen hatte, schien ihn der Mut auch schon wieder zu verlassen, und beschämt senkte er seinen Blick zu Boden.
„Ach“, erwiderte ich, „es ist dies nicht der Rede wert! Ich konnte den ganzen albernen Unfug einfach nicht mehr mitansehen, das war alles!“
Franz Hofer wagte nicht, seinen Blick wieder zu erheben, als er verlegen von einem Fuß auf den anderen trat, und, indem er offenbar vergeblich nach Worten gesucht und dabei unbeholfen mit seinen Händen vor der Brust gefingert, meinte er zuletzt: „Nun, ich will Sie nicht länger belästigen! Sie sollen nur wissen, daß ich Ihnen niemals vergessen werde, was Sie heute für mich getan haben!“
Mit diesen Worten wandte er sich langsam ab und schritt zögernd davon.
Ich sah ihm erstaunt nach. Und als er mit demütig gesenktem Kopfe, auf dessen rostbraunem Scheitel die Sonne glänzte, davonging, da fühlte ich mich auf so wunderliche Weise zu dem jungen Manne hingezogen, daß ich ihm raschen Schrittes zu folgen wagte!
„Sehen Sie“, sagte ich, da ich ihn schließlich eingeholt hatte, „wir könnten zusammen gehen; denn wie ich sehe, haben wir ja denselben Weg!“
Überrascht blickte er auf, und da er auf solche Weise meine Stimme vernahm, huschte es wie stille Freude über sein bäuerlich-derbes Gesicht, dessen Züge sich bei dieser Gelegenheit auf fast wunderbare Weise verschönten. Zunächst schien er vor Freuden kaum zu sprechen imstande.
„Wenn Sie“, stotterte er endlich verlegen, „wenn Sie sich meiner Gesellschaft nicht schämen …“ –
Ich versicherte, daß hierzu wahrlich keine Ursache bestünde, und nach kurzem Gespräche stellte sich heraus, daß Hofer in einer kleinen Gasse unweit des Marienplatzes wohnte. Er hatte dort bei der Familie eines Seifensieders ein kleines Zimmer unter dem Dache gemietet, wofür die bescheidenen Mittel seiner Eltern kaum hinreichten, sodaß die Umstände ihn dazu zwangen, in seinen Mußestunden gelegentlich allerlei artige Bildchen zu verfertigen, die er hernach allenthalben auf den Straßen und Märkten der Stadt feilbot. Dieser Handel diente ihm als Zubrot, sodaß er in den Stand gesetzt war, seine Miete zu bezahlen und er damit überdies noch jene nötigen Aufwendungen bestritt, als er ein Weniges an Kleidung und Nahrung bedurfte, um sich auf das kärglichste einzurichten; der Großteil seiner kleinen Barschaft floß in die Bestreitung jener Kosten, welche die Malerschule verursachte. Schon lange war es sein sehnlichster Wunsch gewesen, erzählte er, einst die berühmte Münchener Malerakademie zu besuchen, und er könne den braven Eltern gar nicht genug danken dafür, daß sie sogar in Zeiten der Not jeden Pfennig gespart, um dem Sohne diesen Traum einst zu verwirklichen; erst vor wenigen Wochen war er in München angekommen, und da die endlichen Kosten seine Erwartungen um ein Beträchtliches überstiegen, hatte er begonnen, auf den hiesigen Märkten seine Bildchen zu verkaufen, was ihm ein ganz artiges Einkommen verschaffte, sodaß er nunmehr leidlich in der Lage war, seine ganzen Aufwendungen zu bestreiten.
Unversehens waren wir an das ärmliche Häuschen gelangt, in dem Franz Hofer hauste.
„Hier wohne ich“, versetzte er bescheiden, „ich danke Ihnen für die Mühen, welche Sie heute mit mir hatten und hoffe, sie noch dereinst an Ihnen entgelten zu können!“
Er schüttelte mir zum Abschiede nochmals die Hand und verschwand alsbald im dunkeln Flur des Hauses.
Von jener Stunde an ...




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