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 (Eine Verserzählung in Distichen)
 Eines Morgens, die Sonne schien heiter über dem Grunde
 faßt’ den Wanderstab ich, rüstete rasch mich zum Gang;
 länger litt es mich nicht hinter grauen, dumpfichten Mauern
 also schreit’ ich ins Feld fröhlichen Sinnes hinein!
 Funkelnder Morgentau perlt an bunten Blumen und Gräsern
 deren munteres Grün lieblich die Auen bekränzt;
 flücht’ge Nebel wallen noch schüchtern über den Fluren
 eilends entflieht das Reh scheu nach dem schützenden Tann!
 Siehe, ein Häslein, wie hoppelt es munter über die Saaten,
 Weiden und Fliedergebüsch’ säumen den knospenden Weg.
 Endlich tauche ich ein in des Waldes dunkleren Schatten
 der vertraut mich umfängt, wonnig die Stirne mir kühlt;
 tausend Weisen der Vögelein schallen gar hell mir entgegen
 hallen bald hier, bald dort süß durch den lieblichen Forst;
 horch, der geschäftige Klang eines Pochhammers hallt durch die Gründe,
 der im Wechsel erschallt weit über Täler und Höhn;
 ei, welch starker, welch nervichter Arm mag so frühe ihn schwingen?
 Wohl der Landmann, der wacker sein Tagwerk beginnt!
 Ehrfürchtig schreite ich fort, durchwandle die heilige Stille
 horche bald hier, bald da, zaudre zuweilen im Schritt
 um am mannigfach webenden Treiben mich still zu ergetzen
 das gar zaub’risch und bunt rings in dem Walde sich regt!
 Aus dem Holunderbusch klingt der Schlag der flötenden Drossel,
 über blumigen Au’n jubelt die Lerche im Flug,
 das geschäftige Eichhorn kreuzt, husch! – gar flink meine Wege
 klimmt behende den Stamm gleich einer Föhre hinan,
 fröhlich und frei, wie ist mir doch gar so heiter zu Sinne
 so ich schreit’ in des Tags holdes Erwachen hinein;
 staunend durchstreif‘ ich des grünen Lenzes fröhliches Leben
 stiller Betrachtungen voll, tu’ ich mir nimmer genug!
 Ganz zuletzt, da gerat’ ich an eine zerfallene Pforte
 dicht begrünt und bemoost, zieht dort ein Steinwall sich hin,
 blühender Hagedorn schlingt seine Ranken um schwankes Gemäuer
 und erzählt, wie die Zeit unwiederbringlich entflieht!
 Auch ein Bildstock, siehe, verschönt dies reizende Plätzchen
 in bescheidener Zier mahnt es zu stillem Gebet.
 O welch liebende Hand mocht’ einst daselbst ihn errichtet
 haben, welch sorgender Geist pflanzte solch Heldenmal auf?
 Tausendfach Lieder der Vögelein klingen gar lieblich vom Walde
 jenseits der Pforte, da sproßt heiter das lieblichste Grün!
 Bebend, so tret‘ ich herfür auf jene freundliche Stätte
 trinke der Blumen Duft, atme den Odem der Flur;
 dort, ein wilder Pfad schlingt gemach sich der Höhe entgegen
 über dem grünen Wald leuchten die Felsen so schön;
 holdes Morgenrot flammt um die rauschenden Wipfel des Waldes
 hoch in des Morgens Glanz heben die Berge das Haupt!
 Sieh, wie fern über hohen Kronen und Wipfeln des Forstes
 stolz der Greif entschwebt, edel und herrlich zu schaun,
 schön und voll Majestät in des Äthers blauender Weite
 frühe sein lauter Ruf kühnlich das Schweigen durchbricht!
 Knospende Bäume reihen sich nun an beiderlei Seiten
 auf verwildertem Pfad steig’ ich zur Höhe hinan;
 sieh, ein altes Jägerhaus grüßt dort herab von dem Berge
 zwischen dunklem Tann blickt es gar munter ins Grün;
 hart daneben steht ein Gehöft mit sprödem Gemäuer
 altersgrau dünkt es, und schaut einsam von anmut’ger Höh’,
 langsam, bedächtigen Schrittes, so nah’ ich mich nun jenem Orte
 der so einsam und still, prächtig verwildert erscheint;
 rings über dunklem Tann im Morgenglanz ragen die Berge
 streben königlich-still, heiter am Himmel empor;
 allerwegs sprossen Röslein gar bunt auf dem lieblichen Anger
 auf dem ragenden Berg flimmert so glänzend der Schnee!
 Wackeren Schrittes, so nah’ ich denn zuletzt dem Gehöfte
 das verlassen im Grund einsamer Bergesruh steht,
 modrig, verwittert und klamm sind allhier die moosigten Mauern
 deren graues Geviert längst schon kein Leben mehr birgt,
 lange erstorben, verhallt ist in jenen Gemäuern das Lachen
 horch, nichts regt sich! – das blühende Leben dahin! –
 Sinnend, so steh’ ich, gedenke längst verwichener Tage
 da annoch in dem Haus fröhliches Lachen erscholl;
 ach, welch trauriges Schicksal nur mochte einst es gefüget
 daß erloschen nun ist jenes gar alte Geschlecht?
 Und mein Geist, er versinkt in jene verflossenen Tage
 da im Hause annoch heiteres Leben geblüht.
 Kinderlärm mochte einst die trauliche Heimstatt erfüllen
 während des Hausvaters Pflug rüstig den Acker bestellt.
 Heiteres Leben mocht’ einst jenes graue Gemäuer umgeben
 jetzund steht es verwaist, sterblichem Wandel geweiht!
 Langsam verlasse ich nun den Grund jener einsamen Stätte
 wandre entgegen dem Berg, klimme den Hügel hinan.
 Siehe, ein Bänklein allhier lädt zur Rast auf einsamer Höhe
 halb verfallen, doch labt es des Wanderers Herz,
 fröhlich ruh’ ich daselbst und blicke rings ins Gefilde
 jener Anblick, gar tief rührt er die Seele im Grund;
 trunken, so schweift mein Blick über sonnendurchflutete Täler
 mir zu Füßen im Grund betten sich Fluren und Mark;
 sieh, wie der Dörfer Kirchtürme funkeln in strahlender Sonne,
 in der Ferne der Strom windet sich lieblich durchs Tal;
 droben am Himmel ziehen voll Anmut Vögel und Wolken,
 holder Glockenklang wallt rings durch den Äther einher.
 Fern im Tale wohl rührt der geschäftige Glöckner die Seile
 friedlich, heiter und still träumet das schweigende Land;
 horch, es flüstert der Wind in den hohen Wipfeln der Tannen
 und der Wassersturz rauscht über die Wälder herein!
 Und mein Geist versenkt sich in längst verflossene Tage
 als hienieden die Welt ganz eine andere war;
 Geister vergangener Tage wandeln über die Stätte,
 ihren Freunden allein tun sie Geheimnisse kund;
 was auf Erden nur je unterlag dem Wandel der Zeiten
 anders, so scheint es, jedoch gleicht es im Wesen sich stets;
 mögen die Stürme der Zeiten tilgen die alten Geschlechter
 ihre Geister, hier walten sie ewiglich fort,
 ehe Gott, in ferner Zukunft, am Ende der Zeiten
 einst die Vielheit der Welt ewiger Einheit vermählt.
 Ach, so sinn‘ ich denn fort, versinke in tiefe Betrachtung
 aber das Rätsel besteht immer und ewiglich fort,
 tief im Schoß der Natur, dort liegt das Geheimnis verborgen
 in uns Menschen, ganz still wirkt der belebende Geist,
 tief verborgen in uns selbst, da ruhet der Schlüssel
 wollen eifrig wir denn trachten, ihn glücklich zu fah’n!
 Tausendfach selig, wer dieses Kleinod fand in sich selber
 wenn die Suche zuletzt mühsam, doch eitel nicht war:
 jener Schlüssel, den viele Menschen gar töricht verschmähen,
 siehe, zum Himmel das Tor schließt er den Seligen auf!
 
 
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