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(Einst wandelt’ ich im grünen Mai)

Einst wandelt’ ich im grünen Mai
wohl über Wald und Feld.
Die Brünnlein rauschten hell und frei
und selig war die Welt.

Es blühte träumend das Gefild’
von Blumen mannigfalt;
da beut’ sich mir ein Zauberbild
voll inniger Gewalt.

Denn mitten in dem Blumenmeer
da nickte zart und fein
mit seinem Köpfchen hin und her
ein blaues Blümelein.

Es war so schön, es war so hold
o weh! gar riß ich’s aus!
Und weil es keiner haben wollt’
da nahm ich’s mit nach Haus.

Ich steckt’ es in ein Wässerlein
da blüht’ es manche Stund’;
erquickte frisch die Seele mein
aus tiefstem Herzensgrund.

Doch einst die Blume über Nacht,
da welkte sie dahin;
sie, die mein Herz stets froh gemacht,
betört mit reinem Sinn.

Ich weinte manche Träne gar,
doch ach! sie blieb mir treu!
Sooft ich bei den Musen war
erblühte sie aufs Neu.

Zwar waren ihre Blüten zart,
die Blätter längst verdorrt;
doch dessen Herz ihr Bild bewahrt
dem blüht sie immerfort.

Wohl ihm, der auf des Lebens Bahn
die blaue Blume fand;
ihn weht ein heil’ger Odem an
vom fernen Musenland.

So sollte denn vergessen sein
der Musen liebster Sohn?
Novalis, er, der hoch und rein
Rang um den Himmelslohn?

So höret denn die Gunst, die kühn
Gott selbst dem Reinen gab:
„Es soll die blaue Blume blüh’n
auf deinem Dichtergrab!“



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