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Dort wo am Strande der Lotophagen
der Klippen Türme zum Himmel ragen
warf des Sturmes unbändiger Sinn
Ulyß an Eilands Gestade hin.
Ihn begehrte die zaub’rische Circe,
Kalypso, die Göttin, zum Gemahl,
doch seine Treue niemals stürze
Penelope in herbe Qual!

Und als der Griechen rüst’ge Schiffe
gestrandet lagen am Felsenriffe,
wählt aus der Gesellen teurem Kreis
zwölf Mann der kühne Odysseus.
„Wir wollen nach dem Land uns wagen,
ihr andern bleibt im sichern Port!“
so hörte man den Dulder sagen
nach seinem Schiffe strebend fort.

Als Aurora hell den Himmel schmücket
mit rosigem Schimmer die Flut beglücket
teilet des Schiffes mächtiger Kiel
die sanfte Woge; sein lichter Gespiel!
Bald sah’n die Gefährten am Klippenrande
tief umschattet vom Lorbeerhain
eine Grotte im fremden Zyklopenlande
und traten mit bänglichem Schauder ein.

Auch einen Beutel ambrosischen Weines
in das Dunkel des schattichten Haines
in das düst’re Gewölbe trugen sie;
es schreckte sie weder Last noch Müh‘!
Dunkel war um sie her, nur bleiche
Gebeine schimmerten greulich hervor,
denn eines Toten modrige Leiche
verbarg das graue Felsentor!

Entsetzt sah man die Freunde stehen,
mit bangen Herzen den Himmel flehen,
daß in seines Waltens Gnad‘
vor Unheil sie ein Gott bewahrt!
Da erbebte plötzlich die Erde
wie Donner! und Ulyß Wange erbleicht
als der Zyklop mit seiner Herde
seiner Wohnstatt Dach erreicht!

Und der Zyklop mit scharfem Blicke
des einen Auges, das voll der Tücke
die Gesellen sogleich durchdringt
gar grimmig seine Keule schwingt!
„Was wollt“ rief brüllend er „ihr Wichte
in Polyphemos‘ Felsenhort!
Nimmer ergötzte am Sonnenlichte
sich Akis! (Verweg’ne, ihr seht in dort!)“

„Mörder!“ rief Ulyß in heißem Zorne
„erquickenden Lebens frischem Borne
gibst du der Liebe sel’ges Glück
den Tod dem Leben nicht zurück!
Jovi brachest du die Treue,
Akis rissest du von Galateen,
du mordetest der Herzen zweie,
vor dem Richterthrone wirst du steh’n!“

Es lachte jetzo das Ungeheuer:
„Mein ist des Rächers Amt, nicht Euer!
Die ihr des mächt’gen Poseidon Sohn
ergrimmt in frechem, dreistem Hohn!“
Kaum waren der Nächte zweie verklungen,
schwand der getreuen Schiffer Zahl
ihrer sechs hatt‘ er bald verschlungen
bereitend sich ein garstig Mahl!

Am dritten Tage – das Scheusal wachte,
da Ulyß die kühnliche List bedachte
sprach jener in vertraulichem Schein:
„Ein Trunk ziemet dir von dem Wein,
den einst mir Apollons Priester ließ schenken!“
Und das Scheusal, in Gier entfacht
Genoß des Weines ohne Bedenken
Schloß in dumpfem Schlummer das Auge zur Nacht!

Und es haschten die Gefährten mit Eile
Nun des Ungetüms knotichte Keule!
Denn jener, er lag schwer berauscht!
Kein Auge wacht! Kein Ohr mehr lauscht!
Schärfen die Keule sogleich zur Spitze,
betreiben das Werk mit rüst’ger Eil!
sie härtend in des Feuers Hitze!
Den wack’ren Schiffern werde Heil!

Von gottgesandter Kraft geführet
da jeder kühn den Arm gerühret
bohrt des Pfahles Spitze sich
Glühend ins Aug‘ dem Wüterich!
„Der Riese soll die Untat sühnen!“
ruft Ulyß, der geprüfte Held,
„wir wollen dem Olympier dienen,
Zeus Kronion! Dem Herrn der Welt!“

Es brüllte der Riese in argen Schmerzen
und Mut ergoß Zeus in die kühnen Herzen
da sie ersannen den listigen Trug
der das Zyklopenauge mit Blindheit schlug.
Und es bargen sich die Gefährten
schützend in der lockigen Widder Vließ
daß die Helden, die leidbewährten,
er mit den Tieren aus der Höhle entließ.

Geschwinde eilen die Genossen zum Strande
Zu ihren Schiffen am Klippenrande
setzen rüstig die Segel in wilder Jagd!
Der Zyklope gar gräßlich klagt:
„Der schändlich mein Auge geblendet!
Wehe! Du bist Laertens Sohn!
Es kündete mir, wie das Schicksal endet
Einstmalen der Seher Telemon!

So jammerte kläglich der Zyklope
in die liebenden Arme von Penelope
eilte der Dulder Odysseus
des ein blindes Auge zu zeugen weiß!
Nicht, da sehend der Blick gewaltet
Erfährt mancher noch der Wahrheit Macht,
die Seele sich sehend erst gestaltet
wenn das Auge umhüllet finstere Nacht!




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