[XXI] ÜBER DAS AMT DER RABBINER
308
Chronologie des Rabbinismus [1].
Die Seitenangaben sind aus dem Buche Pugio fidei[2].
Seite 27. Rabbi Hakadosch [3]
Verfasser der Mischna [4] oder des mündlichen
oder zweiten Gesetzes, im Jahre 200.
Kommentare zurMischna (im Jahre 340):
(der ein Kommentar zur Mischna ist)
Talmud von Jerusalem.
Bereschit Rabba [8] von Rabbi Hoschaja Rabba [9],
Kommentar zur Mischna
Bereschit Rabba, Bar Mechoni [10] sind scharfsinnige, gefällige, geschichtliche und theologische Abhandlungen. Vom selben Verfasser stammen die Rabbot [11] genannten Bücher.
Einhundert Jahre nach dem Talmud von Jerusalem ward der Talmud von Babylon von Rabbi Aschi [12] mit umfassender Zustimmung aller Juden verfaßt, die unbedingt verpflichtet sind, alles zu befolgen, welches dieser beinhaltet: 440.
Der Zusatz von Rabbi Aschi wird Gemara genannt, das bedeutet „Kommentar zur Mischna“, und der Talmud umfaßt beide zusammen, die Mischna und die Gemara.
Von der Erbsünde.
Den Juden zufolge gibt es eine umfassende Weitergabe der Erbsünde. Nach dem Wort im Buch Genesis VIII, ist das Trachten des menschlichen Herzens böse von Jugend an.
Rabbi Moses Hadarschan: dieser böse Samen ist dem Menschen von der Stunde seiner Erschaffung an eingepflanzt.
Massechet Sukka: dieser böse Samen hat sieben Namen. Er wird in der Heiligen Schrift Übel, Vorhaut, Unreines, Feind, Anstoß, Herz aus Stein, Mitternacht geheißen: all dies sind Bezeichnungen für die Bosheit, die im menschlichen Herzen verborgen und eingeprägt ist. Die Midrasch Tehillim [14] sagt dasselbe, und daß Gott die gute Natur des Menschen von der schlechten erlösen wird.
Diese Bosheit gegen den Menschen erneuert sich immer wieder, wie etwa in Psalm XXXVII geschrieben steht: Der Gottlose hat auf den Gerechten acht und trachtet ihm nach dem Leben, doch der Herr verläßt ihn nicht.
Diese Bosheit führt des Menschen Herz in diesem Leben in Versuchung und wird ihn im anderen Leben anklagen.
All dies befindet sich im Talmud.
Midrasch Tehillim über den Psalm IV: Erzittert, und ihr werdet nicht sündigen. Erzittert und versetzt euere Begierde in Schrecknis, und sie wird euch nicht zur Sünde verführen. Und über den Psalm XXXVI: Der Gottlose sagte in seinem Herzen: daß die Gottesfurcht nicht vor meinem Auge sei; das heißt, daß die natürliche Bosheit des Menschen dem Gottlosen dergleichen gesagt hat.
Midrasch und Kohelet: Besser ist das arme Kind, das weise ist, denn der alte und törichte König, der nicht in die Zukunft zu blicken versteht. Das Kind ist die Tugend, und der König ist die menschliche Bosheit. Sie wird als König bezeichnet, da alle Glieder ihm gehorchen, und als alt, weil er von Jugend an bis zum Alter im menschlichen Herzen wohnt, und als töricht, weil er den Menschen auf den Pfad des Verderbens führt, den er nicht vorhersehen kann.
Dasselbe steht in der Midrasch Tehillim.
Bereschit Rabba über den Psalm XXXV: Herr, alles Gebein an mir wird dich preisen, da du die Schwachen vom Tyrannen befreiest. Und gibt es einen größeren Tyrannen als den bösen Samen?
Und über die Sprichwörter, XXV: Wenn deinen Feind hungert, dann speise ihn [mit Brot]. Dies bedeutet, wenn der böse Same hungert, gib ihm das Brot der Weisheit, wovon in den Sprichwörtern, IX die Rede ist. Und wenn er dürstet, gib ihm jenes Wasser, wovon bei Jesaja, LV die Rede ist.
Midrasch Tehillim sagt dasselbe, und daß die Heilige Schrift an jener Stelle, wo von unserem Feind die Rede ist, den bösen Samen meint, und daß, indem wir ihm dieses Brot und jenes Wasser geben, man glühende Kohlen auf sein Haupt sammelt.
Midrasch Kohelet über Kohelet, IX: Ein großer König belagerte eine kleine Stadt. Dieser große König ist der böse Same, die großen Belagerungsmaschinen, mit denen er sie umzingelt, sind die Versuchungen. Und es ward ein weiser und armer Mann gefunden, der die Stadt gerettet hat: nämlich die Tugend.
Und über den Psalm XLI: Selig, wer sich der Bedürftigen erbarmt.
Und über den Psalm LXXVIII: Der Geist fährt dahin und kehrt nicht mehr wieder. Manche haben dies zum Anlaß genommen, die Unsterblichkeit der Seele zu leugnen, aber der Sinn besteht eben darin, daß derselbe Geist der böse Same ist, der mit dem Menschen bis zu dessen Tode dahinfährt und in der Auferstehung nicht mehr wiederkehren wird.
Und dasselbe über den Psalm CIII.
Und über den Psalm XVI [15].
310
Grundsätze der Rabbiner. Zwei Messiasse.
[XXII] BESTÄNDIGKEIT/ FORTDAUER
311
Ein Wort von David oder Moses, wie etwa, daß Gott ihr Herz [16] beschneiden werde, läßt über ihren Geist urteilen. Mögen all ihre übrigen Reden zweideutig und mag es zweifelhaft sein, ob sie philosophisch oder christlich sind, ein Wort dieser Art verleiht schließlich allen übrigen einen Sinn, wie ein Wort von Epiktet allem Übrigen einen gegenteiligen Sinn verleiht. Bis hierher und nicht weiter reicht der Doppelsinn.
312
Die Staaten würden untergehen, wenn man die Gesetze nicht häufig der Notwendigkeit unterwerfen würde [17], aber niemals hat die Religion dergleichen über sich ergehen lassen und gebraucht. Auch bedarf es solcher Zugeständnisse, oder der Wunder.
Es ist nicht ungewöhnlich, daß man sich erhält, indem man sich unterwirft, doch bedeutet dergleichen eigentlich nicht, sich zu behaupten, und schließlich gehen sie doch gänzlich zugrunde. Nichts hat tausend Jahre bestanden, aber daß diese Religion sich stets und unbeugsam behaupten konnte ... das ist göttlich.
313
Beständigkeit.
Diese Religion, welche im Glauben besteht, daß der Mensch von einem Zustand der Herrlichkeit und der Gemeinschaft mit Gott in einen Zustand der Betrübnis, der Reue und der Gottesferne gefallen ist, daß man aber nach diesem Leben durch einen Messias, der da kommen sollte, wieder erhöht würde, hat immer auf Erden bestanden. Alle Dinge sind vergangen, und sie, durch die alle Dinge sind, hat überdauert.
Die ersten Menschen der Welt haben sich zu allen Arten von Zügellosigkeit hinreißen lassen, und es gab dennoch Heilige wie Henoch, Lamech und andere, welche den seit Anbeginn der Welt [18] verheißenen Christus geduldig erwarteten. Noah hat die Bosheit der Menschen auf ihrer höchsten Stufe gesehen, und seine Person war dessen würdig, die Welt durch jene Messiaserwartung zu retten, wovon er selbst ein Sinnbild war. Abraham war von Götzendienern umgeben, als Gott ihm das Geheimnis vom Messias anvertraute, dessen er sich von Ferne erfreut hat [19]. Zur Zeit Isaaks und Jakobs waren die Greuel über die ganze Erde verbreitet, diese Heiligen jedoch lebten in ihrem Glauben, und der sterbende, seine Söhne segnende Jakob ruft in einer seine Rede unterbrechenden Verzückung aus: Ich erwarte, o mein Gott, den von dir verheißenen Retter, salutare tuum exspectabo, Domine [20].
Die Ägypter waren sowohl von Götzendienst wie von Zauberei angesteckt, und sogar das Gottesvolk ward durch ihr Beispiel in Versuchung geführt, aber Moses und die übrigen erkannten und verehrten dennoch jenen, den sie nicht erkannten, da sie auf die ewigen Heilsgüter achteten, die er ihnen bereitete [21].
Hernach haben die Griechen und Römer die falschen Gottheiten herrschen lassen, die Dichter haben hunderterlei verschiedene Gotteslehren [22] geschaffen, die Philosophen haben sich in tausend verschiedene Schulen aufgespalten. Und dennoch gab es im Herzen von Judäa stets auserwählte Männer, welche das Erscheinen jenes Messias weissagten, der nur ihnen bekannt war. Er ist schließlich in der Zeit der Erfüllung erschienen, und seitdem hat man so viele Kirchenspaltungen und Ketzereien entstehen gesehen, so viele staatliche Umstürze, so viele Veränderungen bei allen Dingen, und dieselbe Kirche, die jenen anbetet, der immer angebetet worden ist, hat ohne Unterbrechung bestanden. Und bewunderungswürdig, unvergleichlich und ganz und gar göttlich ist der Umstand, daß diese Religion, die immer bestanden hat, immer bekämpft worden ist. Zu tausenden Malen hat sie kurz vor einer gänzlichen Zerstörung gestanden, und ein jeglich Mal, da sie sich in einem solchen Zustande befand, hat Gott sie durch außerordentliche Beweise seiner Macht wieder aufgerichtet; denn es ist erstaunlich, daß sie ohne sich unter die Willkür der Tyrannen zu beugen und ohne zu wanken behauptet hat, denn es ist nicht verwunderlich, daß ein Staat bestehen kann, wenn man seine Gesetze gelegentlich der Notwendigkeit unterwirft, sondern daß SIEHE DAS KREISZEICHEN BEI MONTAIGNE [23].
314
Fortdauer/ Beständigkeit.
Der Glaube an den Messias hat immer bestanden. Die Überlieferung Adams war noch jung bei Noah und Moses. Die Propheten haben ihn seitdem verkündet, indem sie immer andere Dinge verkündet haben, deren Ereignisse, die den Menschen von Zeit zu Zeit vor Augen traten, die Wahrhaftigkeit ihrer Sendung bezeichneten und folglich auch jene ihrer Weissagungen in Hinblick auf den Messias. Jesus Christus hat Wunder gewirkt, und ebenso die Apostel, welche die ganzen Heiden bekehrt haben, und weil dadurch alle Prophezeiungen erfüllt wurden, ist der Messias auf ewig bezeugt.
315
Die Sechs Weltalter, die Sechs Urväter der Sechs Weltalter, die Sechs Wunder am Anfang der Sechs Weltalter, die Sechs Morgen am Anfang der Sechs Weltalter [24].
316
Die einzige Religion wider die Natur [25], wider die gesunde Vernunft, wider unsere Freuden ist die einzige, die immer bestanden hat.
317
Wenn die vorchristliche Kirche im Irrtum war, ist die Kirche zugrunde gegangen. Wenn sie heute irren würde, so wäre dies nicht dasselbe, denn sie verfügt ja immer noch über jene bestimmende Regel der Glaubensüberlieferung der alten Kirche; und daher überwiegt und bessert dieser Gehorsam und diese Anpassung an die alte Kirche alles. Aber die alte Kirche berücksichtigte und setzte nicht die zukünftige Kirche voraus, so wie wir die alte Kirche voraussetzen und berücksichtigen.
318
2 Arten von Menschen in jeder Religion.
Unter den Heiden [sind dies] die Anbeter von Tieren, und die übrigen Verehrer eines einzelnen Gottes in der Naturreligion [26].
Unter den Juden die fleischlichen und die geistigen, die gleichsam die Christen des Alten Gesetzes waren.
Unter den Christen die grobsinnlichen, die gleichsam die Juden des Neuen Gesetzes sind.
Die fleischlichen Juden erwarteten einen gleichsam im Fleische geborenen Messias, und die grobsinnlichen Christen glauben, daß sie der Messias davon entbunden habe, Gott zu lieben [27]. Die wahren Juden und die wahren Christen verehren einen Messias, der sie zur Liebe zu Gott hinwendet.
319
Wer über die jüdische Religion nach den grobsinnlichen Juden urteilt, wird sie nur schlecht begreifen. Sie ist in den Heiligen Büchern und in der Überlieferung durch die Propheten dargelegt, die genugsam begreiflich gemacht haben, daß sie das Gesetz nicht dem Buchstaben gemäß auffaßten; folglich ist unsere Religion im Evangelium, bei den Aposteln und in der Überlieferung göttlich, doch ist sie lächerlich bei jenen, die sie schlecht auslegen.
Den fleischlichen Juden zufolge soll der Messias ein großer, weltlicher Fürst sein. Den fleischlichen Christen gemäß ist Jesus Christus gekommen, uns von der Liebe zu Gott zu entbinden und uns die Sakramente zu geben, die alles ohne uns [28] bewirken. Weder das eine noch das andere entspricht der christlichen und auch nicht der jüdischen Religion.
Die wahren Juden und die wahren Christen haben stets einen Messias erwartet, der sie zur Liebe zu Gott hinwenden und durch diese Liebe über ihre Feinde [29] triumphieren lassen würde.
320
Moses, in Deuteronomium, XXX, verkündet, daß Gott ihr Herz beschneiden werde, um sie dazu fähig zu machen, ihn zu lieben.
321
Die fleischlichen Juden nehmen die Mitte zwischen den Christen und den Heiden ein. Die Heiden erkennen Gott nicht und lieben nur das Irdische, die Juden erkennen den wahren Gott und lieben nur das Irdische, die Christen erkennen den wahren Gott und lieben das Irdische durchaus nicht. Die Juden und die Heiden lieben dieselben Güter, die Juden und die Christen erkennen denselben Gott.
Es gab zweierlei Arten von Juden: die einen empfanden nur Neigungen zum Heidnischen, die anderen hatten Neigungen zum Christentum.
[XXIII] BEWEISE FÜR MOSES
322
Anderes Kreiszeichen [30].
Anstatt daß die Geschichten von den vergangenen Begegnissen verloren gingen, erwies sich das hohe Lebensalter der Urväter [31] vielmehr von Nutzen, diese zu bewahren; denn die Ursache, daß man zuweilen nicht genugsam über die Geschichte seiner Vorfahren unterrichtet ist, besteht darin, daß man kaum jemals mit ihnen [zusammen]gelebt hat und daß sie häufig gestorben sind, noch ehe man ein vernünftiges Alter erreicht hatte. Nun, da die Menschen noch so lange lebten, lebten die Kinder lange mit ihren Vätern zusammen. Diese unterhielten sich lange Zeit mit ihnen. Worüber hätten diese sich nun mit ihnen unterhalten sollen, wenn nicht über die Geschichte ihrer Vorväter, weil ja die ganze Geschichte auf diese beschränkt war und die sie weder Bildung, noch Wissenschaften, noch Künste kannten, welche einen großen Teil der Gespräche im Leben einnehmen? Auch sieht man, daß die Völker in jener Zeit einen besonderen Eifer darauf verwandten, ihre Stammesgeschichten zu bewahren.
323
Diese an Wundern so große Religion; an Heiligen, Reinen, Untadeligen, Gelehrten und großen Zeugen; Märtyrern; eingesetzten Königen – David; Jesaja ist ein Fürst von Geblüt; so groß an Weisheit; nachdem sie all ihre Wunder und ihre ganze Weisheit offenbart hat, verwirft sie all das und behauptet, daß sie weder Weisheit noch Zeichen habe, sondern das Kreuz und die Torheit [32].
Denn jene, so durch diese Zeichen und diese Weisheit eures Glaubens würdig sind und die euch ihr Wesen offenbart haben, erklären euch, daß nichts von alledem uns zu ändern und zur Erkenntnis und Liebe Gottes zu befähigen vermag als die Kraft der Kreuzestorheit, ohne Weisheit oder Zeichen, und keineswegs die Zeichen ohne diese Kraft. Infolgedessen ist unsere Religion töricht in Hinblick auf die sie bewirkende Ursache, und weise in Ansehung der Weisheit, die auf jene vorbereitet.
324
Beweise für Moses.
Warum wird Moses [bei der Abfassung des Pentateuchs] das Leben der Menschen so lange machen und so wenige Geschlechter aufeinander folgen lassen?
Denn nicht die Anzahl der Jahre, sondern die Mannigfaltigkeit der Geschlechter verdunkeln die Ereignisse, denn die Wahrheit wird ja nur durch den Wechsel der Menschen verfälscht.
Und dennoch bringt er die beiden allerdenkwürdigsten Ereignisse, die man sich jemals vorgestellt hat, nämlich die Schöpfung und die Sintflut, so nahe, daß man diese fassen kann [33].
Wenn man acht Tage hingeben muß, so muß man das ganze Leben hingeben [34].
Beweise für Moses.
325
Solange es die Propheten gegeben hat, um das Gesetz aufrechtzuerhalten, ist das Volk nachlässig gewesen. Aber seit es keine Propheten mehr gegeben hat, ist der Eifer nachgefolgt.
326
Josephus [35] verbirgt die Schmach seines Volkes.
Moses verbirgt weder seine eigene Schmach noch [36] ...
Quis mihi det ut omnes prophetent [37]?
Er war des Volkes überdrüssig. [38]
327
Sem, der Lamech erlebt hat, der Adam erlebt hat, hat auch Jakob erlebt, der wiederum jene erlebt hat, die Moses erlebt haben. Daher sind die Sinftflut und die Schöpfung wahrhaftig. Zu diesem Schlusse gelangt man im Zirkel gewisser Leute, die viel davon verstehen [39].
328
Eifer des jüdischen Volkes für sein Gesetz, und das hauptächlich, seit es keine Propheten mehr gegeben hat.
[XXIV] BEWEISE FÜR JESUS CHRISTUS
329
Die Ordnung – wider den Einwand, daß die Heilige Schrift keine Ordnung habe.
Das Herz hat seine Ordnung, der Geist hat die seine, die aus Grundsätzen und Erfahrung besteht [40]. Das Herz hat eine andere. Man beweist nicht, daß man geliebt werden muß, indem man die Ursachen der Liebe auf Befehl darlegt; dies wäre lächerlich.
Jesus Christus und Paulus haben jene Ordnung der Nächstenliebe, nicht des Geistes, denn sie wollten berühren, nicht belehren. Dasselbe gilt für Augustinus. Diese Ordnung besteht vorzugsweise in der Abweichung [41] über jeden Punkt, der sich auf den Endzweck bezieht, um eine solche Abweichung stets aufzuzeigen.
330
Das Evangelium spricht nur von der Jungfräulichkeit der [Heiligen] Jungfrau bis zur Geburt Jesu Christi. Alles geschieht in Hinblick auf Jesus Christus.
331
Jesus Christus lebte in einer solchen Verborgenheit (jedenfalls, was die Welt Verborgenheit nennt), daß die Geschichtsschreiber, die nur über die bedeutenden Staatsangelegenheiten berichteten, ihn kaum wahrgenommen haben.
332
Heiligkeit.
Effundam spiritum meum [42]. Alle Völker waren in Unglauben und Begierde verstrickt, die ganze Erde sehnte sich nach Liebe. Fürsten verzichten auf ihre Herrscherwürde, Dirnen erleiden das Märtyrium. Woher kommt diese Macht? Weil der Messias gekommen ist. Das sind die Wirkung und die Zeichen seiner Ankunft.
333
Die Verknüpfungen der Wunder.
334
Ein Handwerksmann, der von Reichtümern spricht, ein Klostervogt, der vom Krieg redet, von der Königswürde usw. Der Reiche aber redet entsprechend von Reichtümern, der König spricht in besonnener Weise von einer großen Schenkung, die er soeben vorgenommen hat, und Gott spricht entsprechend von Gott [43].
335
Beweise für Jesus Christus.
Weshalb ist das Buch Ruth erhalten?
Weshalb die Geschichte von Tamar [44]?
[1] Der Rabbinismus ist die Lehre der Rabbiner. Sie ist in der [Gesetzes]sammlung des Talmud niedergelegt, der aus zwei Sammlungen besteht: der Talmud von Jerusalem (im Fragment: Talmud hieros.) und der Talmud von Babylon (Gemara genannt, da er den ersten als Ergänzung begleitet).
[2] Es handelt sich hierbei um das Werk Pugio fidei (Der Dolch des Glaubens wider die Muselmanen und die Juden). Im 13. Jhdt. von einem spanischen Dominikaner, Raimundo Martin, verfaßt, wurde das Werk im Jahre 1651, mit Kommentaren versehen, von Josef de Voisin zu Paris herausgegeben. Pascal schöpft hier aus den Kapiteln XIII und XVII der Vorrede von Voisin.
[3] Rabbenu Hakkadosch: „Unser heiliger Lehrer“, Ehrenbezeichnung für Juda Hanassi (etwa 135-200), der die Redaktion der Mischna besorgte.
[4] Mischna: „Unterweisung“, Sammlung der jüdischen Gesetzeslehre aus dem 2. Jhdt. n. Chr. als Grundlage des Talmuds.
[5] Sifra: „Buch“, Midrasch (Schriftauslegung) zum 3. Buch Mose.
[6] Barajtot: „Die Draußenstehenden“, nicht in die offizielle Mischna aufgenommene Schriftauslegungen.
[7] Tosefta: „Hinzufügung“, nicht in den Talmud aufgenommenes Ergängzungswerk zur Mischna.
[8] Auslegungsmidrasch zum Bereschit („im Anfang“), dem 1. Buch Mose.
[9] Schriftgelehrter aus Palästina (um 200 n. Chr.), Verfasser mehrerer Kommentare zur Thora.
[10] Bahir: „Glanz“, dem Schriftgelehrten Mechonja ben Hakana (1. Jhdt. n. Chr.) zugeschriebenes, jedoch erst im 13. Jhdt. auftauchendes midraschartiges kabbalistisches Buch mit Bibelauslegungen und kosmologischen Spekulationen.
[11] Rabbot: Midrasch Rabba, Sefer Rabbot, Gesamtbezeichnung für die Midraschim (Schriftauslegungen) zu den fünf Büchern Mose und fünf kleineren biblischen Büchern.
[12] Schriftgelehrter (352-427), der die Redaktion des babylonischen Talmuds besorgte.
[13] Pascal entlehnt die in diesem Fragment beinhalteten Beispiele dem Buche Pugio fidei, III, 2, 6, S 463-467.
[14] Bibelexeget des 11. Jhdt.; seine beispielgebende Methode der Talmudwissenschaft brachte ihm den Beinamen Hadarschan („der Prediger“) ein.
[15] Vollständige biblische Referenzen: Gen, VIII, 21 (siehe Fragment Nr. 244); Ps XXXVII, 32-33 (XXXVI, 34-35): wir geben, hier wie an anderer Stelle, die hebräische Nummerierung wieder, die Pascal ausnahmsweise in diesem Fragment verwendet, wo er die rabbinischen Kommentare zitiert, gefolgt, soferne Platz dafür ist, von der in Klammern befindlichen Nummerierung der Vulgata; Ps IV, 5; Ps XXXVI, 2 (XXXV, 1); Ecclesiastes (in der hebräischen Bibel: Kohelet), IV, 13; Ps XXXV, 10 (XXXIV, 11-12); Spr, XXV, 22 (nach der Bibel von Sacy – anderswo: XXV, 21); Spr, IX, 5; Jes, LV, 1; Ecclesiastes, IX, 14-15; Ps XLI, 2 (XL, 1); Ps LXXVIII, 39 (LXXVII, 44); Ps CIII, 14-16 (CII, 14-15); Ps XVI, 10 (XV, 10).
[16] Dtn, XXX, 6. Siehe Fragment Nr. 301, 320 u. 693.
[17] Aufsätze, I, 23, S 122: „Die Umstände, welche stets ihre Autorität über unsere Formulierungen beanspruchen, zeigen uns bisweilen eine solch dringliche Notwendigkeit, daß die Gesetze ihnen notwendigerweise etwas Platz machen müssen.“
[18] Siehe Fragment Nr. 11.
[19] Joh, VIII, 56: „Abraham, euer Vater, jubelte, daß er meinen Tag sehen werde; er sah ihn und freute sich.“
[20] Gen, XLIX, 18: „Auf dein Heil harre ich, o Herr!“
[21] Brief an die Hebräer: „Im Glauben sind all diese Heiligen gestorben, ohne die Verheißung erlangt zu haben. Nur von ferne sahen und begrüßten sie diese“ (XI, 13); Moses „wollte lieber mit dem Volke Gottes Unbill erfahren als vorübergehenden Vorteil der Sünde haben; für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens hielt er die Schmach des Gesalbten; denn er sah auf die Vergeltung. Im Glauben verließ er Ägypten, ohne Furcht vor dem Zorn des Königs; denn er hielt sich an den Unsichtbaren, so, als sähe er ihn“ (XI, 25-27).
[22] Man kann hierbei insbesondere an die Theogonie des Hesiod denken (8.-7. Jhdt. v. Chr.).
[23] Jenes „Kreiszeichen“ ist zweifelsohne eine von Pascal vorgenommene Kennzeichnung in seiner Ausgabe der Aufsätze. Hier bezeichnet es die unter Nr. 460 zitierte Stelle.
[24] Pascal faßt kurz Über die Genesis wider die Manichäer, I, 23, zusammen. Der Heilige Augustinus unterscheidet in diesem Lehrbuch über das Modell der sechs Schöpfungstage, die von sechs Wundern gefolgt werden, sechs geschichtliche Weltalter mit seiner jeweils beherrschenden Gestalt (der „Urvater“ – außer im fünften Weltalter) und seinem vielversprechenden Anfang (der „Morgen“). Das Erste Weltalter umfaßt die Zeit von Adam bis Noah; das zweite jene von Noah bis Abraham; das dritte von Abraham bis David; das vierte von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft; das fünfte vom diesem Exil der Läuterung bis zur Geburt des Erlösers; das sechste vom ersten bis zum zweiten Erscheinen Jesu Christi. Das siebte, jenseits der Geschichte befindliche Zeitalter, wird jenes der ewigen Ruhe in der göttlichen Seligkeit für alle Auserwählten sein. Vgl. Fragment Nr. 489.
[25] Wider die Natur in ihrem entarteten Zustande, d. h. wider die „Zweite Natur“ (Fragment Nr. 509).
[26] Vgl. 4. Brief von Pascal an Fräulein von Roannez, Ende Oktober 1656: „Jener Schleier der Natur, der Gott verbirgt, ist von mehreren Ungläubigen durchdrungen worden, die, wie Paulus sagt, ‚einen unsichtbaren Gott durch die sichtbare Natur erkannt haben‘“ (Gesammelte Werke, III, S 1036; Paulinische Briefe, Röm, I, 20).
[27] Angriff gegen die jesuitischen Kasuisten: siehe X. Provinzialbrief, S 187-191.
[28] Ohne uns: ohne daß wir unsere Irrtümer zu bereuen noch etwas an unserem Verhalten zu ändern hätten. Pascal tadelt den nachlässigen Begriff vom Sakrament der Buße bei den jesuitischen Kasuisten: siehe X. Provinzialbrief, insbesondere S 190-191.
[29] Nämlich über ihre Sünden (vgl. Fragment Nr. 300).
[30] Über das „Kreiszeichen“, siehe Fragment Nr. 313, Anm. Nr. 466. Dieses hier soll folgende Stelle von Montaigne bezeichnen: „Welche Befriedigung wäre es mir doch, zum Beispiel jemand anzuhören, der mir von den Sitten, dem Aussehen, dem Verhalten, den alltäglichen Gesprächen und dem Schicksal meiner Vorfahren erzählte! Wie aufmerksam wäre ich doch!“ (Aufsätze, II, 18, S 664).
[31] Siehe Gen, V und XI.
[32] Paulus, 1Kor: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorgengehen, Torheit; uns aber, die wir gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (I, 18); „Denn da die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Heilsbotschaft die zu retten, die glauben. Denn die Juden fordern Zeichen, und die Hellenen suchen Weisheit; wir aber verkünden einen gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit“ (I, 21-23).
[33] Siehe Fragment Nr. 327.
[34] Dieser Satz beruht auf dem Abschnitt Beginn (vgl. Fragment Nr. 191).
[35] Der jüdische Historiker Flavius Josephus (37-100 n. Chr.), Verfasser der Geschichte des jüdischen Krieges, der Abhandlung Wider Apion und der Jüdischen Altertümer.
[36] Noch die Schmach seines Volkes. Für Pascal ist dies ein Argument zu Gunsten der Wahrheit dessen, wovon er im Pentateuch berichtet.
[37] Moses erwidert dem Josua, der zwei Hebräer daran hindern will, zu weissagen: „Möchte doch das ganze Volk des Herrn prophetische Begeisterung haben, möchte der Herr doch allen seinen Geist senden!“ (Num, XI, 29). Pascal gibt hier den lateinischen Wortlaut der mehrsprachigen Bibel von Vatablus aus dem Jahre 1586 wieder; im übrigen eröffnet jener der Vulgata denselben Sinn.
[38] Num, XI, 14: „Ich kann nicht mehr allein für dieses ganze Volk die Last tragen! Sie drückt mich zu sehr.“
[39] Siehe Fragment Nr. 741.
[40] Die Ordnung des Geistes wird von Pascal im Werk Über die Kunst zu überzeugen (Gesammelte Werke, III, S 413-428) auseinandergesetzt.
[41] Siehe J. Mesnard, „Die Abweichung in den Betrachtungen von Pascal“, Gestaltung. Umgestaltung, vermischte Schriften Margot Kruse, Tübingen, G. Narr, 1990, S 223-228.
[42] Joël, III, 1: „Ich gieße meinen Geist aus über alle Menschen; dann werden eure Söhne und Töchter prophetisch begabt sein.“
[43] Siehe Fragment Nr. 340. Die Darstellung des Evangeliums trägt dazu bei, die Göttlichkeit Jesu Christi zu beweisen. Über dieses Fragment, siehe Ph. Sellier, „Rhetorik und Apologie: „Gott spricht entsprechend über Gott“, aus: Methodik bei Pascal, Paris, PUF, 1979, S 373-381.
[44] Siehe Fragment Nr. 268.
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